Die geneigten Krüge
Nun wir bebend die geneigten Krüge
Jäh beglückter Leidenschaften sehn,
Wie nun wild und wehmutsvoll die Flüge
Einer Frage durch die Stunden wehn:
»War dies süßer nicht, als wir noch gingen
Reiner Sehnsucht priesterlich geweiht
Und das Dunkle in den vielen Dingen
Die Verheißung schien der letzten Lieblichkeit,
Da uns, nur den Fernen hingegeben
Traum ein wundersames Leben ward,
Dem der Seelen schwisterliches Schweben
Sich in reinem Sternenflug gepaart,
Da wir träumten wie durch weiße Gärten,
Deren Tempeltüren keiner fand
Und noch nicht dies arme Glück begehrten,
Das zerfließt in unsrer heißen Hand?«
War dies süßer nicht?… Durch Liebeslüge
Fühlen wir die Frage schmerzlich wehn,
Nun wir bebend die geneigten Krüge
Unsrer jungen Leidenschaften sehn…
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Die hier vorzufindene Sammlung der gemeinfreien Werke Stefan Zweigs ist aus der Ausgabe des Null Papier Verlages übernommen. Zu dieser Ausgabe gelangen Sie durch einen Klick auf diesen Eintrag.