Ein Traum
Aus »L’atelier d’un peintre«, 1833.
… In letzter Nacht ward mein Schlummer von einer Vision gewiegt und erschüttert: Ich durcheilte ein einsames riesiges Haus, dessen Türen alle weit offen standen. Der Engel des Todes verfolgte mich, er kam durch die unbewohnten Gemächer, und ich vernahm das Rauschen seiner Schwingen in der Luft, durch die ich selber hinglitt, ohne den Boden zu berühren; ich litt, ich betete, ich war atemlos und fast von ihm ereilt. Das offene Fenster bot mir den einzigen Ausweg, den ich mit den Augen suchte und mit einem Herzen, das meine Brust zu sprengen drohte: ich reckte die Arme, ich gab mich der Luft ganz hin, ich schwebte, zu meiner großen Freude, zu meiner so unendlichen Freude, daß ich erwachte und mich knieend in meinem Bette fand, in einer Finsternis, die der Mond tröstlich erhellte. Es war, als sähe er mich an und spräche: »Hab keine Angst!« Ich schlief auch wieder ein, bis in den hellen Tag…
vorheriges Kapitel
Aufzeichnungen aus Italien
nachfolgendes Kapitel
Vierter Teil. Briefe
Einordnung
Die hier vorzufindene Sammlung der gemeinfreien Werke Stefan Zweigs ist aus der Ausgabe des Null Papier Verlages übernommen. Zu dieser Ausgabe gelangen Sie durch einen Klick auf diesen Eintrag.