Hab Dank, mein Gott


Ich kam auf Erden, wo ich schreite,
An mehr als eine Schlucht, ich fiel,
Dann rief mein heißer Schrei ins Weite,
Mein Gott, mein Vater war sein Ziel.
Und sanft und liebreich glitt hernieder
Ein Abgesandter deiner Huld
Und half mir aus dem Dunkel wieder –
Mein Gott, zahl du ihm meine Schuld!


Ich sah auf Erden, wo ich weine,
Manch Auge, drin ein Beten stand;
Gott selber sprach aus seinem Scheine –
Ich sah in dieses Himmelsland,
Darin viel heller Stern erstrahlte,
Und lernte Mitleid und Geduld
Und hatte nichts, womit ich zahlte.
Mein Gott, bezahle du die Schuld!


Ich fand auf Erden, wo ich singe,
Oft Herzen voller Harmonie;
Verborgne Muse, deren Schwinge
Gefaltet bleibt, so lauschen sie
In Nachsicht meiner armen Leier,
Und sind voll Sanftmut und Geduld;
Mein Lied ward stolz durch sie und freier –
Mein Gott, bezahle meine Schuld!


Ich traf jedweden Tag auf Erden
Das große Heer des Elends an,
Sah Waisenkinder bresthaft werden
Und todessiech und sterben dann.
Wie vieles Leid mußt ich erschauen!
Mein Blick erschrak und wandte sich,
Mein Herz jedoch spricht voll Vertrauen:
Sieh an, mein Gott, gib du für mich!

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Die hier vorzufindene Sammlung der gemeinfreien Werke Stefan Zweigs ist aus der Ausgabe des Null Papier Verlages übernommen. Zu dieser Ausgabe gelangen Sie durch einen Klick auf diesen Eintrag.