Schlafe


Dein Schicksalssturm bat mich ins Knie gebogen,
Und deine Tränen weinte ich mit dir;
Wie hoch du flogst, ich bin dir nachgezogen,
Dein Weheschrei fand Widerhall in mir.


Doch was ist Freundschaft dem, der Liebe fühlt?
Ich habe nichts geheilt und nichts erworben.
Verbrannter Boden, den die Woge kühlt,
Er bleibt verbrannt – so bleibt das Herz gestorben.


Ich liebe noch – o nein! Ich bin nicht tot!
Ich gleite vor dir her durch die Gelände;
Wie erster blasser Schein von Morgenrot
Erwärm ich deine Blicke, deine Hände.


Der Kranke fühlt in seinem Schlummer nicht
Den kühlen Hauch, der seine Leiden wendet,
Den sanften Traum, der Schmerz und Fieber bricht:
Ich bin der Traum, den Gott für dich gesendet.


Wie müder Cherubim, der das Gefunkel
Der goldnen Schwingen fest zusammenrafft,
Verhülle deinen Glanz – und durch das Dunkel
Geleite dich mein Licht und meine Kraft.

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Die hier vorzufindene Sammlung der gemeinfreien Werke Stefan Zweigs ist aus der Ausgabe des Null Papier Verlages übernommen. Zu dieser Ausgabe gelangen Sie durch einen Klick auf diesen Eintrag.