Viertes Kapitel – Heimkehr nach Schottland


August 1561


Ein Nebel, so dicht, wie er im Sommer nur selten diese nördlichen Küsten befällt, verhüllt das Gestade, da Maria Stuart am 19. August 1561 in Leith landet. Aber wie anders ist diese Ankunft in Schottland als der Abschied von der douce France. Dort hatte sie im majestätischen Zuge die Blüte des französischen Adels begleitet, Fürsten und Grafen, Dichter und Musiker entboten ihr in höfischer Weise Ehrfurcht und Gruß. Hier hat niemand sie erwartet; erst als die Boote an den Strand stoßen, sammelt sich erstaunt und neugierig das Volk: ein paar Fischer in ihren rauhen Arbeitsgewändern, ein paar lungernde Soldaten, ein paar Krämer und Bauern, die gekommen waren, ihre Schafe in der Stadt zu verkaufen. Mehr scheu als begeistert schauen sie zu, wie, in reichen Kleidern und festlich geschmückt, fürstliche Frauen und Edelleute den Barken entsteigen. Fremdheit und Fremdheit blicken einander an. Es ist ein rauher Willkomm, hart und streng wie die Seele dieses nordischen Landes. Gleich in den ersten Stunden erkennt Maria Stuart schmerzlich die furchtbare Armut ihrer Heimat, und daß sie in diesen fünf Tagen Seefahrt in Wahrheit ein Jahrhundert zurückgefahren ist, aus einer großen, reichen, üppigen, verschwenderischen und selbstgenießerischen Kultur in eine enge, dunkle und tragische Welt. Denn dutzendemal von Engländern und Aufständischen geplündert und niedergebrannt, besitzt diese Stadt keinen Palast, kein einziges adeliges Wohnhaus, das sie würdig empfangen könnte: bei einem gewöhnlichen Kaufmann muß die Königin ihres Landes übernachten, um nur ein Dach über dem Haupte zu haben.


Erste Eindrücke haben große Macht über die Seele, tief und schicksalhaft prägen sie sich ein. Vielleicht weiß die junge Frau selbst nicht, was sie dermaßen ergreift, als sie jetzt wie eine Fremde nach dreizehnjähriger Abwesenheit wieder ihr Reich betritt. Ist es Heimweh, ein unbewußtes Verlangen nach jener Wärme und Süße des Lebens, die sie auf französischer Erde lieben gelernt, ist es der Schatten des grauen fremden Himmels, ist es das Vorgefühl kommender Gefahren? Jedenfalls bricht Maria Stuart, kaum mit sich allein – Brantôme erzählt es –, in Tränen aus. Nicht wie Wilhelm der Eroberer setzt sie stark und selbstbewußt mit rechtem Herrengefühl den Fuß auf die britannische Insel – Befangenheit ist ihr erstes Empfinden, Ahnung und Angst vor dem künftigen Geschehen.


Am nächsten Tag kommen der inzwischen benachrichtigte Regent, ihr Stiefbruder James Stuart – bekannter unter dem Namen Earl of Moray –, und einige andere Edelleute schleunig herangeritten, um ihr ein halbwegs würdiges Geleite nach dem nahen Edinburgh zu bereiten. Aber es wird kein festlicher Zug. Unter dem fadenscheinigen. Vorwand, nach Piraten zu fahnden, haben die Engländer eines der Schiffe, auf dem sich die Rosse des Hofes befanden, zurückgehalten, und in der kleinen Stadt Leith ist gerade noch für die Königin ein halbwegs taugliches und erträglich aufgezäumtes Pferd aufzutreiben; ihre Frauen und adeligen Begleiter dagegen müssen sehr verärgert mit groben und bäurischen Schindmähren vorliebnehmen, die man hastig aus den umliegenden Scheunen und Ställen zusammenholt. Tränen kommen bei diesem Anblick Maria Stuart in die Augen, abermals muß sie fühlen, wie viel ihr der Tod ihres Gatten genommen und um wie viel weniger es bedeutet, bloß Königin von Schottland zu sein, als jene von Frankreich, die sie gewesen. In einem derart armen, unwürdigen Aufzug sich ihren Untertanen zu zeigen, verbietet ihr der Stolz. Statt zu einer »joyeuse entrée« durch die Straßen Edinburghs reitet sie darum mit ihrem Gefolge gleich in das Schloß von Holyrood außerhalb der Stadtmauern. Dunkel liegt das von ihrem Vater gebaute Haus mit seinen runden Türmen in der Tiefe der Landschaft, von der sich nur trotzig die Zinne der Festung abhebt; von außen scheint es für den ersten Blick großartig in seinen klaren Formen und mit seiner quadernen Wucht.


Aber wie frostig, wie leer, wie unfestlich grüßen innen die Räume die von Frankreich Verwöhnte! Keine Gobelins und kein Lichterglanz, der aus italienischen Spiegeln von Wand zu Wand sich weitergibt, keine kostbaren Stoffe, kein Schimmer von Silber und Gold. Seit Jahren ist hier nicht hofgehalten worden, kein Lachen nistet in diesen verlassenen Räumen, keine königliche Hand hat dies Haus seit ihres Vaters Tod erneuert und geschmückt: auch hier blickt ihr hohläugig die Armut entgegen, der alte Fluch ihres Königreichs.


Kaum haben die Einwohner von Edinburgh vernommen, daß ihre Königin in Holyrood eingetroffen ist, so ziehen sie alle noch nachts hinaus, ihr Willkommen zu bieten. Daß dieser Gruß für den verfeinerten, verwöhnten Geschmack der französischen Adelsleute etwas rauh und bäuerisch ausfällt, ist nicht zu verwundern; Edinburghs Bürger haben keine ›musiciens de la cour‹, um die Schülerin Ronsards mit zärtlichen Madrigalen und kunstvoll gesetzten Kanzonen zu erfreuen. Sie können die Königin des Landes nur nach althergebrachter Art feiern, indem sie Holzklötze, das einzige, was diese unwirtliche Gegend reichlich gibt, auf den Plätzen zusammenschichten, um sie als »bonfires« hell durch die Nacht lodern zu lassen. Dann versammeln sie sich vor ihren Fenstern und veranstalten mit Dudelsäcken, Pfeifen und ungefügen Instrumenten etwas, was ihnen als Musik, den kultivierten Gästen aber als höllischer Lärm erscheint: dazu singen sie – denn profane Texte sind ihnen von ihren calvinistischen Priestern untersagt – mit rauhen Männerstimmen Psalmen und fromme Lieder; mehr haben sie mit bestem Willen nicht zu bieten. Aber Maria Stuart freut sich über den guten Empfang oder zeigt zumindest Freundlichkeit und Freude. Und wenigstens in jener ersten Ankunftsstunde herrscht seit Jahrzehnten wieder Einklang zwischen einer Fürstin und ihrem Volke.


Daß eine unermeßlich schwierige Aufgabe diese politisch völlig unerfahrene Herrscherin erwartet, darüber geben sich weder die Königin selbst noch ihre Ratgeber einer Täuschung hin. Prophetisch hatte Maitland of Lethington, der klügste Kopf des schottischen Hochadels, von Maria Stuarts Ankunft geschrieben, sie würde unaufhaltsam außerordentliche Tragödien verursachen (»it could not fail to raise wonderful tragedies«). Selbst ein energischer, entschlossener Mann, die Faust mit Eisen bewehrt, könnte auf die Dauer hier nicht Ruhe erzwingen, und wie erst eine neunzehnjährige, dem eigenen Lande entfremdete und im Herrschen so ungeübte Frau! Ein armes Land, ein korrupter Adel, dem jeder Anlaß zu Aufstand und Krieg willkommen ist, eine Unzahl Clans, die in ewigem Streit und Zwist miteinander leben und nur ständig auf einen Anlaß warten, um Haß in Bürgerkrieg zu verwandeln, eine katholische und eine protestantische Geistlichkeit, die grimmig um die Oberherrschaft ringen, eine wachsame und gefährliche Nachbarin, die mit geschickter Hand jeden Anlaß zur Unruhe schürt, und dazu die Feindseligkeit der Weltmächte, welche unbarmherzig Schottland mitreißen wollen in ihr blutiges Spiel: das ist die Lage, die Maria Stuart vorfindet.


Im Augenblick, da sie ihr Land betritt, steht dieser Kampf auf des Messers Schneide. Statt gefüllter Kassen übernimmt sie von ihrer Mutter eine verhängnisvolle Erbschaft, eine wahrhaft »damnosa hereditas«: den religiösen Zwist, der hier erbitterter als irgendwo die Seelen verstört. Während der Jahre, die sie selbst ahnungslos und beglückt in Frankreich verbrachte, war es der Reformation gelungen, siegreich in Schottland vorzudringen. Durch Hof und Haus, durch Dörfer und Städte, durch Sippen und Familien geht nun dieser furchtbare Riß: ein Teil des Adels protestantisch, der andere katholisch, die Städte dem neuen Glauben zugewandt, das flache Land dem alten, Clan gegen Clan, Geschlecht gegen Geschlecht, und beide Parteien ständig in ihrem Haß geschürt von fanatischen Priestern und politisch gestützt von fremden Mächten. Gefährlich für Maria Stuart aber wird vor allem, daß eben der mächtigste und einflußreichste Teil des Adels im gegnerischen, im Lager des Calvinismus steht; die Gelegenheit, sich der reichen Kirchengüter zu bemächtigen, hat zauberisch auf diese machtgierige und rebellische Rotte gewirkt. Endlich haben sie einen herrlichen pseudoethischen Vorwand, als Schirmer der wahren Kirche, als die »Lords of the Congregation«, sich gegen ihre Herrscherin aufzulehnen, und für diesen Widerstand finden sie an England jederzeit einen bereiten Helfer. Mehr als zweihunderttausend Pfund hat die sonst sparsame Elisabeth schon geopfert, um Schottland durch Aufstände und Kriegszüge den katholischen Stuarts zu entreißen, auch jetzt nach feierlich abgeschlossenem Frieden, steht ein Großteil der Untertanen Maria Stuarts heimlich in ihrem Sold. Mit einem Schlage könnte nun Maria Stuart das Gleichgewicht herstellen, nämlich wenn sie selbst zur protestantischen Religion übertreten würde, wozu ein Teil ihrer Berater sie auf das heftigste drängt. Aber Maria Stuart ist eine Guise. Sie stammt aus der Familie der glühenden Vorkämpfer des Katholizismus und ist selbst, wenn auch nicht zelotisch fromm, so doch treu und leidenschaftlich dem Glauben ihrer Väter und Ahnen ergeben. Nie wird sie von ihrer Überzeugung weichen und selbst in äußerster Gefahr, gemäß ihrer kühnen Natur, lieber ewigen Kampf wählen als eine einmalige feige Handlung gegen ihr Gewissen. Damit aber ist ein unheilbarer Riß zwischen ihr und dem Adel geschaffen; immer wirkt es sich gefährlich aus, wenn ein Herrscher einer anderen Religion angehört als seine Untertanen. Denn zwischen so scharfem Hin und Wider kann die Waage nicht ewig schwanken, einmal muß die Entscheidung fallen; eigentlich bleibt Maria Stuart nur die Wahl, der Reformation Herr zu werden oder ihr zu erliegen. Die unaufhaltsame Auseinandersetzung zwischen Luther, Calvin und Rom wird durch einen merkwürdigen Zufall gerade in ihrem Schicksal dramatisch ausgetragen; der persönliche Kampf zwischen Elisabeth und Maria Stuart, zwischen England und Schottland entscheidet – und darum wird er so bedeutsam – auch zwischen England und Spanien, zwischen Reformation und Gegenreformation.


Erschwert wird diese an sich schon schicksalsträchtige Situation durch den Umstand, daß der religiöse Zwiespalt hier bis in ihre Familie, in ihr Schloß, in ihr Beratungszimmer hineinreicht. Der einflußreichste Mann Schottlands, ihr eigener Stiefbruder James Stuart, Earl of Moray, dem sie die Führung der Staatsgeschäfte anvertrauen muß, ist entschlossener Protestant und Schirmherr jener »kirk«, die sie, die gläubige Katholikin, als Ketzerei verdammen muß. Als erster hat er schon vor vier Jahren seine Unterschrift unter den Eid der Schutzherren, der »Lords of Congregation«, gesetzt, die sich verpflichteten, »die Lehre Satans abzuschwören und ihren Aberglauben und ihren Bilderdienst und sich von nun ab als ihr offener Gegner zu erklären«. Diese Satansreligion (»Congregation of Satan«), welche sie abschwören, ist nun keine andere als die katholische, also die Religion Maria Stuarts. Damit klafft zwischen der Königin und dem Regenten von allem Anbeginn ein Zwiespalt in der letzten, der wesentlichsten Lebensauffassung, und ein solcher Zustand verspricht keinen Frieden. Denn im innersten Herzen hat die Königin nur einen Gedanken: die Reformation in Schottland zu unterdrücken, und ihr Regent und Bruder nur einen Willen: sie in Schottland zur einzig herrschenden Religion zu erheben. Ein derart schroffer Gegensatz der Überzeugungen muß unaufhaltsam bei erster Gelegenheit zu offenem Konflikt führen.


Dieser James Stuart ist bestimmt, eine der entscheidendsten Gestalten im Drama Maria Stuarts zu verkörpern, eine große Rolle hat ihm das Schicksal zugedacht, und er weiß sie als Meister darzustellen. Sohn desselben Vaters, aber aus dessen langjährigem Liebesverhältnis mit Margaret Erskine, der Tochter einer der edelsten Familien Schottlands, scheint er durch das königliche Blut und nicht minder durch seine eherne Energie von der Natur zum würdigsten Erben der Krone berufen. Allein die politische Schwäche seiner Position hatte James V. seinerzeit gezwungen, auf eine legale Ehe mit der sehr geliebten Lady Erskine zu verzichten und zur Festigung seiner Macht und seiner Finanzen sich mit einer französischen Prinzessin, der Mutter Maria Stuarts, zu vermählen. So lastet auf diesem ehrgeizigen Königssohn der Makel der unehelichen Geburt, der ihm für alle Zeit den Weg zum Throne sperrt. Wenn ihm auch auf die Bitte James’ V. der Papst öffentlich nebst fünf anderen Liebeskindern seines Vaters das königliche Blut zuerkennt. Moray bleibt dessenungeachtet Bastard und von jedem Anspruch auf die väterliche Krone ausgeschlossen.


Unzählige Male hat die Geschichte und ihr größter Nachbildner, Shakespeare, die seelische Tragödie des Bastards gestaltet, dieses Sohnes und Doch-nicht-Sohnes, dem ein staatliches, ein geistliches, ein irdisches Gesetz unbarmherzig das Recht nimmt, das Natur ihm in Blut und Antlitz geprägt. Verurteilt durch das Vorurteil – das härteste, das unbeugsamste aller Urteile –, sind diese Unehelichen, diese nicht im Königsbett Gezeugten, hintangesetzt den meist schwächlicheren, weil nicht aus Liebe, sondern aus politischer Berechnung gezeugten Erben, ewig Zurückgestoßene und Ausgestoßene und zu Bettel verdammt, wo sie befehlen und besitzen sollten. Wird aber einem Menschen der Stempel der Minderwertigkeit sichtbarlich aufgedrückt, so muß dieses dauernde Minderwertigkeitsgefühl ihn entweder entscheidend schwächen oder entscheidend stärken; ein solcher Druck kann einen Charakter brechen, oder er kann ihn wundervoll härten. Feige und laue Charaktere werden durch solche Demütigkeit noch kleiner, als sie waren; als Bettler und Schmeichler lassen sie von den anerkannt Legitimen sich beschenken und beamten. In starken Naturen aber steigert Zurücksetzung alle dunklen und gebundenen Kräfte; wo ihnen der gerade Weg zur Macht nicht gutwillig gewährt ist, werden sie lernen, Macht aus sich selbst zu schaffen.


Moray nun ist eine starke Natur. Die wilde Entschlossenheit seiner königlichen Stuartsahnen, ihr Stolz und ihr Herrscherwille wogen stark und finster in seinem Blut; als Mann, als Erscheinung überragt er durch Klugheit und klare Entschlossenheit um Haupteslänge das kleine raffgierige Geschlecht der andern Lords und Barone. Seine Ziele sind weit gesteckt, seine Pläne politisch überdacht; klug wie seine Schwester, ist der Dreißigjährige ihr durch Besonnenheit und männliche Erfahrung unermeßlich überlegen. Wie auf ein spielendes Kind blickt er auf sie herab und läßt sie spielen, solange ihr Spiel nicht seine Kreise stört. Denn als reifer Mann gehorcht er nicht wie seine Schwester heftigen, nervösen romantischen Impulsen, er hat nichts Heldisches als Herrscher, aber er kennt dafür das Geheimnis des Wartens und Sichgeduldens, das den Erfolg sicherer verbürgt als der rasche leidenschaftliche Elan.


Erstes Anzeichen einer wirklichen politischen Begabung bleibt es allezeit, wenn ein Mann von vornherein darauf verzichtet, Unerreichbares für sich zu fordern. Dieses Unerreichbare ist für diesen unehelich Geborenen die Königskrone. Nie wird Moray, dies weiß er, sich James VI. nennen dürfen. So stellt der besonnene Politiker von Anfang an den Anspruch zurück, jemals König von Schottland zu werden, um desto gewisser Schottlands Herrscher zu bleiben – Regent, da er Rex niemals werden kann. Er verzichtet auf die Insignien der Macht, auf den sichtbaren Schein, aber nur, um die wirkliche Macht dann noch fester in Händen zu halten. Schon als junger Mensch rafft er die sinnlichste Form der Macht an sich. Reichtum, er läßt sich von seinem Vater viel vererben und viel von anderen schenken, er nützt die Auflösung der Klostergüter, er nützt den Krieg, bei jedem Fischzug füllt sich sein Netz als das erste. Ohne alle Hemmung nimmt er von Elisabeth Subsidien an, und wie seine Schwester Maria Stuart dann als Königin einzieht, muß sie in ihm bereits den reichsten und mächtigsten Mann des Landes erkennen, stark genug, um von niemandem mehr beiseite geschoben zu werden. Mehr aus Not als aus wirklicher Neigung sucht sie seine Freundschaft; sie gibt ihrem Stiefbruder, um die eigene Herrschaft zu sichern, alles in die Hände, was er begehrt, sie füttert seine unersättliche Gier nach Reichtum und Macht. Diese Hände Morays sind nun – zum Glück für Maria Stuart – wirklich zuverlässig, sie wissen zu halten und wissen nachzugeben. Ein geborener Staatsmann, bewährt sich Moray als Mann der Mitte: er ist Protestant, aber kein Bilderstürmer, schottischer Patriot und doch in guter Gunst bei Elisabeth, er ist leidlich Freund mit den Lords und weiß doch, ihnen im gegebenen Augenblick die Faust zu zeigen – im ganzen ein kalter, nervenloser Rechner, den der Schein der Macht nicht blendet und nur die Macht selbst befriedigt.


Ein solch außerordentlicher Mann ist ein ungeheurer Gewinn für Maria Stuart, solange er an ihrer Seite steht. Und eine ungeheure Gefahr, sobald er ihr entgegentritt. Als Bruder durch gleiches Blut verbunden, hat auch rein egoistisch Moray alles Interesse, seine Schwester an der Macht zu erhalten, denn ein Hamilton oder ein Gordon an ihrer Stelle würde ihm nie soviel unbeschränkte Gewalt und Freiheit des Regierens gewähren; gerne läßt er sie darum repräsentieren, neidlos sieht er zu, wie man bei feierlichen Anlässen ihr Szepter und Krone voranträgt, sofern er nur die wirkliche Macht in seinen Händen weiß. Aber im Augenblick, da sie versuchen wird, selber zu regieren und seine Autorität zu mindern, stößt eisenhart Stuartstolz gegen Stuartstolz. Und keine Feindschaft ist furchtbarer, als wenn Ähnliches wider Ähnliches aus gleichen Trieben und mit gleicher Kraft gegeneinander kämpft.


Auch Maitland of Lethington, der zweitwichtigste Mann ihres Hofes, Maria Stuarts Staatssekretär, ist Protestant. Aber auch er ist zunächst an ihrer Seite. Maitland, ein feiner Kopf, ein geschmeidiger, kultivierter Geist – »the flower of wits«, wie ihn Elisabeth nannte –, liebt nicht wie Moray herrisch und stolz die Macht. Ihn freut als Diplomat bloß das verworrene und verwirrende Spiel des Politisierens und Intrigierens, die Kunst der Kombination; ihm geht es nicht um starre Prinzipien, um Religion und Vaterland, um Königin und Reich, sondern um die artistische Kunst, überall die Hände im Spiel zu haben und nach eigener Lust Fäden zu knüpfen oder zu lösen. Er ist Maria Stuart, der er persönlich merkwürdig zugetan ist – eine der vier Marys, Mary Fleming, wird seine Gattin –, weder recht treu noch recht untreu. Er wird ihr dienen, solange sie Erfolg hat, und sie verlassen in der Gefahr; an ihm, der farbigen Wetterfahne, kann sie erkennen, ob der Wind günstig weht oder ungünstig. Denn als wahrer Politiker wird er nicht ihr, der Königin, der Freundin, dienen, sondern einzig ihrem Glück.


Zur Rechten und zur Linken, in der Stadt und im eigenen Hause – schlimmes Vorzeichen! – findet also Maria Stuart bei ihrer Ankunft keinen verläßlichen Freund. Aber immerhin, mit einem Moray, mit einem Maitland läßt sich regieren und paktieren – unversöhnlich dagegen, unerbittlich, mit harter, mörderisch gesinnter Gegnerschaft, steht ihr vom ersten Augenblick der mächtigste Volksmann entgegen: John Knox, der Volksprediger von Edinburgh, der Organisator und Herr der schottischen »kirk«, der Meister religiöser Demagogie. Mit ihm hebt ein Kampf an um Sein oder Nichtsein, um Leben oder Tod. Denn der Calvinismus des John Knox stellt keineswegs eine bloß reformatorische Erneuerung der Kirche dar, sondern ein starres Gottesstaatssystem und damit gewissermaßen einen Superlativ des Protestantismus. Herrisch und als Herrscher tritt er auf, zelotisch heischt er selbst vom Könige sklavische Unterordnung unter sein theokratisches Gebot. Mit einer Hochkirche, mit einer Lutherkirche, mit irgendeiner milderen Form der Reformation hätte Maria Stuart sich gemäß ihrer weichen und nachgiebigen Natur vielleicht verständigen können. Das Selbstherrliche des Calvinismus schaltet dagegen jede Verständigungsmöglichkeit für einen wirklichen Herrscher von vornherein aus, und selbst Elisabeth, welche sich Knoxens politisch bedient, um ihrer Rivalin Widerwärtigkeiten zu schaffen, verabscheut ihn persönlich wegen seiner unerträglichen Anmaßung. Wie sehr erst muß dies finstere Eiferertum der durchaus human und humanistisch gesinnten Maria Stuart zum Ärgernis werden! Nichts konnte ihrer lebensfreudigen, ihrer genießerischen Art, ihrer musischen Neigung unfaßbarer sein als die nüchterne Strenge, die Lebensfeindlichkeit und der bilderstürmerische Kunsthaß, der Freudehaß dieser Genfer Lehre, nichts unerträglicher als der hochmütige Starrsinn, der das Lachen verbietet und die Schönheit als Verbrechen verurteilt, der alles zerstören will, was ihr teuer ist, die frohen Formen der Sitte, Musik, Dichtung und Tanz, und der überdies hier in einer an sich schon düstern Welt noch eine besondere Düsternis annimmt.


Diesen steinharten, alttestamentarischen Charakter prägt in Edinburgh der »kirk« John Knox auf, der eisenköpfigste, zelotischeste, unbarmherzigste aller Kirchengründer und seinen eigenen Lehrer Calvin an Unerbittlichkeit und Unduldsamkeit noch übersteigend. Ursprünglich ein kleiner katholischer Priester niederen Ranges, hatte er sich mit der ganzen Wildheit und Wut seiner rechthaberischen Seele in die Reformation geworfen, ein Schüler George Wisharts, den die Mutter Maria Stuarts als Ketzer lebendig verbrennen ließ. Diese Flamme, in der sein Lehrer unterging, brennt weiter in seiner Seele. Als einer der Führer des Aufstands gegen die Regentin wird er von den französischen Hilfstruppen gefangengenommen und in Frankreich an die Galeere geschmiedet. Dort sitzt er lange in Ketten, aber sein Wille wird bald so eisern wie diese Ketten. Freigelassen, flüchtet er zu Calvin; dort lernt er die Kraft der Rede und den unbarmherzigen puritanischen Haß gegen alles Helle und Hellenische, und kaum nach Schottland zurückgekehrt, zwingt er durch den Genius seiner Gewalttätigkeit in wenigen Jahren die Lords und das Volk in die Reformation.


John Knox ist vielleicht der vollendetste Typus des religiösen Fanatikers, den die Geschichte kennt, härter als Luther, dem doch manchmal innerer Frohmut die Seele bewegte, strenger als Savonarola, weil ohne den Glanz und die mystische Erleuchtung der Rede. Durchaus redlich in seiner Geradlinigkeit, wird er durch dies grauenhafte Scheuklappendenken einer jener engen, strengen Geister, für die nur die eigene Wahrheit wahr ist, nur die eigene Tugend tugendhaft, nur das eigene Christentum christlich. Wer nicht seines Sinnes ist, gilt als Verbrecher, wer nur einen einzigen Buchstaben von seinen Forderungen abweicht, als Satansknecht. Knox hat den finstern Mut des von sich selbst Besessenen, die Leidenschaft des bornierten Ekstatikers und den stinkenden Stolz des Selbstgerechten: in seiner Härte schwelt zugleich eine gefährliche Freude an dem eigenen Hartsein, in seiner Unduldsamkeit eine finstere Lust an der eigenen Unfehlbarkeit. Mit seinem wallenden Bart steht er, ein schottischer Jehova, allsonntags auf der Kanzel von St. Giles und donnert Haß und Fluch gegen alle, die nicht seiner Predigt lauschen; grimmig schleudert er, der »kill joy«, der Freudetöter, Schmähungen gegen das »Satansgeschlecht« der Unbekümmerten, der Sorglosen, die Gott nicht genau nach seinem Buchstaben und seiner persönlichen Auffassung dienen. Denn dieser alte Fanatiker kennt keine andere Freude, als den Triumph der Rechthaberei, keine andere Gerechtigkeit als den Sieg seiner Sache. In ganz naiver Weise jubelt er auf, sobald irgendein Katholik oder ein anderer Gegner beseitigt oder gedemütigt ist; und wenn durch Mörderhand ein Feind der »kirk« aus dem Wege geräumt wird, so war es selbstverständlich Gott, der diese löbliche Tat gewollt und gefördert hat. Knox stimmt auf seiner Kanzel Triumphgesänge an, als dem armen kleinen Jungen Franz II., dem Gatten Maria Stuarts, der Eiter tödlich aus dem Ohre bricht, »das die Stimme Gottes nicht hören wollte«, und als Marie von Guise, Maria Stuarts Mutter, stirbt, predigt er begeistert: »Möge uns Gott in seiner großen Gnade bald von den andern aus dem Blute der Valois befreien. Amen! Amen!« Nichts von der Milde und der göttlichen Güte des Evangeliums spürt man je in seiner Rede, die er wie eine Zuchtrute drohend schwingt; nur der Rachegott ist sein Gott, der eifersüchtige und unerbittliche, nur das Alte Testament, das blutrünstige und barbarisch strenge, sein eigentliches Bibelbuch. Von Moab, von Amalek, von allen Feindesgestalten des Volkes Israel, die ausgetilgt werden sollen mit Feuer und Schwert, geht unablässig drohend seine Rede und damit gegen die Feinde des wahren – also seines – Glaubens. Und wenn er mit grimmigen Worten die Königin Jezabel der Bibel geißelt, so wissen seine Hörer wohl, welche Königin er in Wahrheit meint. Wie ein Gewitter, dunkel und großartig, das den freien Himmel verdüstert und die Seele mit zuckenden Blitzen und schmetterndem Donner ewig in Angst versetzt, hält der Calvinismus das schottische Land überzogen, und jeden Augenblick kann sich zerstörend die Spannung entladen.


Mit einem derart unbeirrbaren und unbestechlichen Mann, der nur befehlen will und nur gehorsame Gläubigkeit hinnimmt, gibt es keine Kompromisse; alles Werben und Sich-um-ihn-Bemühen wird ihn nur um so härter, höhnischer und anspruchsvoller machen. An dem steinernen Block eines solchen selbstfreudigen Starrsinns zerschellt jeder Versuch der Verständigung. Immer sind, die für Gott zu streiten vorgeben, die unfriedlichsten Menschen auf Erden; weil sie himmlische Botschaft zu vernehmen glauben, sind ihre Ohren taub für jedes Wort der Menschlichkeit.


Noch ist Maria Stuart nicht eine Woche in ihrem Lande, und schon muß sie dieses Fanatikers finstere Gegenwart spüren. Ehe sie die Herrschaft antrat, hatte sie nicht nur volle Glaubensfreiheit allen ihren Untertanen zugesichert – was ihrem toleranten Temperamente kaum ein Opfer bedeutete –, sondern sogar das Gesetz zur Kenntnis genommen, das in Schottland die öffentliche Zelebrierung der Messe verbietet – ein schmerzliches Zugeständnis dies an die Anhänger John Knoxens, dem es nach seinem Wort »lieber wäre, zehntausend Feinde in Schottland landen zu sehen, als eine einzige Messe gelesen zu wissen«. Aber selbstverständlich hat sich die strenggläubige Katholikin, die Nichte der Guisen, vorbehalten, in ihrer eigenen Hauskapelle ihre Religion ungehindert ausüben zu dürfen, und ohne Bedenken hatte das Parlament dieser gerechten Forderung zugestimmt. Jedoch kaum daß am ersten Sonntag in ihrem eigenen Hause, in der Kapelle von Holyrood, zum katholischen Gottesdienst gerüstet wird, drängt eine aufgereizte Menge drohend bis an die Türen; dem Mesner, der geweihte Kerzen zum Altare bringen will, werden sie mit Gewalt entrissen und zerbrochen. Immer lauteres Murren verlangt die Entfernung und sogar die Ermordung des »götzendienerischen Priesters«, immer aufgeregter werden die Rufe gegen den »Satansdienst«, ein Kirchensturm im eigenen Hause der Königin kann jeden Augenblick losbrechen. Glücklicherweise wirft sich Lord Moray, obwohl selbst Vorkämpfer der »kirk«, der fanatischen Masse entgegen und verteidigt den Eingang. Nach angstvoll beendetem Gottesdienst führt er den erschreckten Priester heil in sein Zimmer zurück; ein offenes Unheil ist verhütet, die Autorität der Königin noch mit Mühe gerettet. Aber die heiteren Feste der Ankunft zu ihren Ehren, die »joyousities«, wie sie Knox grimmig verhöhnt, sind zu seiner Freude grob unterbrochen: zum erstenmal spürt die romantische Königin in ihrem Lande den Widerstand der Wirklichkeit.


Ein Zornausbruch Maria Stuarts erwidert diese Beleidigung. In Tränen und harten Worten schäumt ihre erstickte Erbitterung auf. Und damit fällt abermals schärferes Licht auf ihren bisher noch undeutlichen Charakter. Diese junge, vom Schicksal seit frühester Jugend verwöhnte Frau ist ihrem innersten Wesen nach zart und zärtlich, nachgiebig und umgänglich; von den ersten Edelleuten des Hofes bis zu ihren Zofen und Mägden rühmt jeder ihre freundliche, unstolze und herzliche Art. Jeden weiß sie zu gewinnen, weil sie keinem gegenüber hart und hochmütig auf ihre Hoheit pocht und durch eine natürliche Lockerheit die Überlegenheit ihrer Stellung vergessen läßt. Aber dieser freigebigen Herzlichkeit liegt ein starkes Selbstbewußtsein zugrunde, unsichtbar so lange, als niemand daran rührt, leidenschaftlich jedoch sofort vorbrechend, sobald jemand gegen sie Widerspruch oder Auflehnung wagt. Oft hat diese merkwürdige Frau persönliche Kränkung zu vergessen gewußt, nie aber den geringsten Verstoß gegen ihr Königsrecht.


Nicht einen Augenblick will sie darum diese erste Beleidigung dulden. Eine solche Anmaßung muß gleich von Anfang an in Grund und Boden gestampft werden. Und sie weiß, an wen sie sich zu halten hat, sie weiß von diesem Langbart in der Ketzerkirche, der das Volk gegen ihren Glauben aufhetzt und auch diese Meute ihr ins Haus getrieben. Sofort beschließt sie, sich ihn gründlich vorzunehmen. Denn Maria Stuart, an die königliche Allmacht von Frankreich, an Gehorsam von Kindheit her gewohnt, im Gottesgnadengefühl aufgewachsen, kann sich Widerspruch eines Untertanen, eines Bürgermenschen gar nicht vorstellen. Auf alles und jedes ist sie eher gefaßt als auf das eine, daß jemand wagte, ihr offen und sogar unhöflich zu widersprechen. Dazu ist aber John Knox bereit und sogar freudig bereit. »Warum sollte das hübsche Gesicht einer Edelfrau mich erschrecken, der ich so vielen zornigen Männern ins Auge geblickt habe und doch niemals ungebührend erschrocken bin?« Mit Begeisterung eilt er in den Palast, denn zu streiten – wie er meint, für Gott zu streiten – ist jedes Fanatikers liebste Lust. Hat Gott den Königen die Krone, so seinen Priestern und Gesandten das feurige Wort verliehen. Über dem König steht für John Knox der Priester der »kirk« als Hüter des göttlichen Rechts. Seine Aufgabe ist, Gottes Reich im Irdischen zu verteidigen, er darf nicht zögern, die Unbotmäßigen mit dem harten Stecken seines Zornes zu züchtigen, wie es weiland Samuel tat und die biblischen Richter. So kommt es zu einer Szene wie im Alten Testament, wo Königsstolz und Priesterhochmut Stirn gegen Stirn aneinanderstoßen; nicht eine einzelne Frau und ein einzelner Mann ringen hier um die Oberhand, sondern zwei uralte Ideen begegnen einander zum tausendsten und abertausendsten Male in erbittertem Kampf. Maria Stuart versucht, milde zu sein. Sie wünscht eine Verständigung, sie verbirgt ihre Erbitterung, denn sie möchte Frieden im Lande; höflich leitet sie die Unterhaltung ein. John Knox aber ist entschlossen, unhöflich zu werden und dieser »idolatress« zu zeigen, daß er vor den Mächtigen dieser Erde sich nicht einen Zoll tief beugt. Stumm und finster, nicht wie ein Angeklagter, sondern wie ein Ankläger, hört er der Königin zu, während sie ihm Vorwürfe macht wegen seines Buches »The first blast of trumpet against the monstrous regiment of women«, in dem er Frauen jedes Königsrecht bestreitet. Aber derselbe Knox, der wegen ebendesselben Buches sich vor der protestantischen Elisabeth nachträglich in demütiger Weise entschuldigte, beharrt vor seiner »papistischen« Landesfürstin mit allerhand zweideutigen Worten auf seiner Meinung. Allmählich wird die Aussprache energischer. Maria Stuart fragt Knox auf den Kopf zu, ob Untertanen ihrem Herrscher unbedingt zu gehorchen hätten oder nicht. Aber statt dies mit dem »Selbstverständlich« zu beantworten, das Maria Stuart erwartet, schränkt der geschickte Taktiker die Gehorsamspflicht mit einem Gleichnis ein: Wenn ein Vater den Verstand verliere und seine Kinder töten wolle, so hätten die Kinder das Recht, seine Hände zu binden und ihm das Schwert zu entreißen. Wenn Fürsten die Kinder Gottes verfolgen, so hätten diese ein Recht auf Widerstand. Die Königin spürt in dieser Verklausulierung sofort die Auflehnung des Theokraten gegen ihr Herrscherrecht. »Meine Untertanen haben also«, fragt sie, »Ihnen zu gehorchen und nicht mir? Ich bin also Ihnen Untertan und Sie nicht mir?«


Dies ist zwar John Knoxens Meinung. Aber er ist zu vorsichtig, sie in Gegenwart Morays völlig deutlich auszusprechen. »Nein«, antwortet er ausweichend, »beide, der Fürst und die Untertanen, sollen Gott gehorchen. Könige sollen die Nährväter der Kirche sein und die Königinnen ihre Ammen.«


»Aber Eure Kirche ist nicht jene, die ich nähren will«, sagt darauf, von seiner Zweideutigkeit erbittert, die Königin. »Ich will die römisch-katholische Kirche pflegen, die ich für die Kirche Gottes halte.«


Jetzt schlägt endlich hart gegen hart. Der Punkt ist erreicht, wo es keine Verständigung gibt zwischen einer gläubigen Katholikin und einem fanatischen Protestanten. Knox wird kräftig unhöflich und nennt die römisch-katholische Kirche eine Hure, die nicht Gottes Braut sein dürfe. Und da ihm die Königin solche Worte untersagt, weil sie ihr Gewissen beleidigten, antwortet er herausfordernd: »Gewissen erfordert Kenntnis«, und er fürchte, die Königin entbehre der rechten Kenntnis. Statt einer Versöhnung erreicht dies erste Gespräch nur eine Verhärtung der Gegensätze. Knox weiß nun, daß dieser »Satan stark ist« und er von der jungen Herrscherin Nachgiebigkeit nicht erhoffen kann. »In der Auseinandersetzung mit ihr stieß ich auf eine Entschlossenheit, wie ich sie in diesem Alter bisher noch nicht gesehen habe. Seitdem ist der Hof für mich erledigt und ich für ihn«, schreibt er erbittert. Andererseits hat die junge Frau zum erstenmal die Grenze ihrer Königsmacht gespürt. Aufrechten Hauptes verläßt Knox das Zimmer, selbstzufrieden und stolz, einer Königin Trotz geboten zu haben, verstört bleibt Maria Stuart zurück und bricht, ihrer Ohnmacht bitter gewahr, in heiße Tränen aus. Aber es werden nicht die letzten sein. Bald wird sie erkennen, daß man Macht nicht bloß vom Blute her erbt, sondern unablässig durch Kampf und Demütigungen sich neu erobern muß.

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