An Richard Dehmel


Berlin, 7.4.1902


Sehr verehrter Herr!


Ich möchte mich heute mit einer Bitte an Sie, sehr verehrter Herr Dehmel, wenden, auf deren Erfüllung ich zu hoffen wage in Anbetracht des wertvollen Unternehmens, das sie betrifft. Ich plane nämlich – und habe Schuster und Loeffler im Falle der Zustimmung der Autoren als Verleger – eine Anthologie von Verlaine – und Übersetzungen, von der Voraussetzung ausgehend, daß keiner der bisher vorhandenen Sammelbände künstlerischen Anforderungen genügt und wiederum Meisterübersetzungen, in einzelnen Gedichtbänden verstreut, für das Publikum verlorengehen. Ich will nun – da die meisten Gedichte mehrfach übersetzt sind – immer die beste für einen schmalen billigen Band wählen, der Deutschland den wesensverwandtesten aller französischen Dichter in annähernder Vollkommenheit repräsentieren soll.


Dazu bedarf ich aber der Zustimmung der Dichter und wende mich vor allem an Sie, sehr verehrter Herr Dehmel, als den berühmtesten und besten unserer Übersetzer. Sonst nehme ich noch in Aussicht: Franz Evers, Richard Schaukal, Max Bruns, Johannes Schlaf, Paul Wiegler, Hedwig Lachmann, Otto Hauser und vielleicht noch den einen oder anderen, aber wie bereits gesagt, stets nur das Beste des Besten. Ist es mir nun verstattet, aus Ihren Werken Übertragungen auszunehmen, so möchte ich um eine Zeile bitten und vielleicht auch um ein Wort, wie Ihnen der Plan zusagt, eventuell auch einen Ratschlag, dem ich mich gerne fügen will. Ich hoffe, daß die Sympathie für unsern großen Dichter und der Wunsch, ihn würdig in Deutschland vertreten zu sehen, bei Ihnen für meinen Plan sprechen wird.


In aufrichtiger Ergebenheit und Verehrung,


Stefan Zweig


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An Richard Dehmel


Berlin, 6. Juni 1902


Sehr verehrter Herr Dehmel,


Ich danke Ihnen aufrichtig für Ihre freundliche Anteilnahme die Sie aufs Neue bewiesen haben; Johannes Schlafs Übertragungen kenne ich und habe dieselben auch zum Teil berücksichtigt, auch persönlich darüber mit ihm gesprochen. Die Anthologie schließe ich dieser Tage ab, nachdem ich heute den Vertrag unterzeichnet habe, demzufolge das Buch in Stärke von sieben bis acht Bogen in eleganter Ausstattung (Vallotton-Portrait etc.) zu 1 Mark, gebunden in Japan zu 2 Mark erscheint. Das Ihnen zufallende Honorar habe ich gemäß Ihren Ansprüchen auf Mk. 102 fixiert, und zwar




  • Helle Nacht (18 Verse) – Mk. 9




  • Kaspar Hauser (14 Verse) – Mk. 7




  • Mirakel (20 Verse) – Mk. 10




  • Ruhe (12 Verse) – Mk. 6




  • Zu Gott (140 Verse) – Mk. 70




und hoffe auch Ihre anderen Wünsche betreffs Korrektur ganz zu Ihrer Zufriedenheit erledigen zu können, da ich während der Zeit des Druckes noch in Berlin bleibe und die Zusendung etc. persönlich überwache. Ich verbleibe in aufrichtiger Verehrung mit ergebensten Grüßen


Stefan Zweig


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An Richard Dehmel


VIII. Kochgasse 8


Wien, 30. Oct. 09


Sehr verehrter Herr Dehmel, ich habe ein großes Buch über Emile Verhaeren geschrieben, das nicht nur im Insel-Verlag in deutscher Sprache, sondern auch beim Mercure de France in einer Übertragung von Paul Morisse erscheint. In diesem Buche ist Ihrer oft gedacht, auch zwei Strophen aus dem »Bergpsalm« citiert, die notwendigerweise übertragen werden mußten. Ich zweifle nicht, daß Sie der Tatsache der Übertragung zustimmen – »um Lebens oder Sterbens willen bitt’ ich mir doch ein Wörtchen drüber aus«.


Dieses Buch ist ein Teil der dreibändigen deutschen Verhaeren-Ausgabe, die im Frühling erscheint. Damit schließe ich ein Jahr der Arbeit, die einzig Verhaeren galt, und wende mich Eigenem zu. Hoffentlich wird dies Eigene ebenso wichtig, als es die Durchsetzung Verhaerens in Deutschland gewesen ist. Ich warte ungeduldig auf Ihre neuen Werke, nun Sie die Fülle der Vergangenheit in definitive Form gebändigt haben. Warte in Ungeduld und Vertrauen.


In Verehrung treu Ihr ergebener
Stefan Zweig


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An Richard Dehmel


VIII. Kochgasse 8


Wien, 13. 1.1910


Sehr verehrter Herr Dehmel,


Ich habe seit Tagen auf eine ganz reine und ruhige Stunde gewartet, um Ihnen für die Gabe der Bilder und des Buches danken zu können. Sie war schwer zu finden, diese Stunde: denn gerade jetzt, wo ich daran bin, die Verhaeren-Ausgabe abzuschließen, bin ich – je näher der Augenblick kommt, wo sie sich in ein Definitives verwandelt – immer unruhiger geworden, bossle und bessere, füge ein, werfe heraus: es ist wie die Eisenbahnnervosität vor der Abfahrt, wo man an kleine Sorgen viel Temperament und Zeit verschwendet. Im März sind hoffentlich alle drei Bände in Ihren Händen.


Ich bin sehr neugierig, wie Sie über das kritische Buch denken werden. Es ist mir wichtig zu wissen, wie Sie es werten: denn unter meinen Plänen steht ja seit Jahren auch derjenige, Ihr Werk einmal in einer runden Form zusammenzufassen. Nur ging es bei Verhaeren leichter: denn trotz aller Bewunderung gerade für seine jüngsten Werke glaube ich nicht, daß sich der Schwerpunkt seines Schaffens noch verschieben wird. Seine Rhythmik ist nicht mehr glutflüssig, sondern schon rein crystallisiert, sein Weltbild definitiv. Und damit ist mein Buch gewissermaßen in sich gerundet. Während ich bei Ihnen innerliche Verschiebungen und Wandlungen eben aus Ihrem Schweigen, aus der nur innerlich fortdauernden Art Ihres Schaffens


fühle. Ich bin so unendlich sicher, daß Sie selbst durch Ihr Wachstum alle Kreise, selbst die weitesten, die Ihnen liebevolle Betrachtung umlegen wird, zersprengen werden wie ein Baum seinen Eisenring, daß ich zu mutlos bin, jetzt ein Buch zu beginnen, bei dem ich fühle, daß es vom Gegenstand in ein oder fünf oder zehn Jahren, aber sicherlich bald, schon überwunden sein wird.


Ich habe das Feuilleton von Hans Kyser jüngst gelesen, das bei aller Bemühung nach neuen Worten statt nach neuen Werten mir sehr gefiel. Nur daß ich gerade bei Ihnen die enge gebannte Form des Essays einmal nicht mag: condensieren mag man Werke, die viel aussprechen, nicht aber die, in denen alle Werte der Kunst und der Weltbetrachtung in einem sehnsüchtigen Zustand des Gefühls und nicht des formulierten Gedankens ruhen. Um ein Weltgefühl zu erklären, muß man diese Welt erst aufbauen: und wenn’s wirklich eine ist, so will sie Raum.


Ich bin jetzt menschlich sehr sicher geworden. Die große Verhaeren-Ausgabe – und hauptsächlich, daß ich sie rechtzeitig, vor dem großen Ruhm begann – gibt mir in meinen Augen das Ja zu meiner dichterischen und irdischen Existenz. Ich habe das Gefühl, nicht unnötig gewesen zu sein. Wächst es mir und den Wichtigen dann nochmals aus dem Eigenen empor, das ich nun schaffen will, so will ichs dankbar nehmen wie ein Geschenk.


Dies aber war meine Pflicht!


In inniger Treue Ihr ergebener
Stefan Zweig


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An Richard Dehmel


VIII. Kochgasse 8


Wien, 11. September 1917


Sehr verehrter Herr Dehmel, aus innigstem Herzen Dank für Ihre Worte! Ich empfand und empfinde es bei Ihnen so wunderbar, daß Sie trotz eines halben Jahrhunderts Literatur so wenig das bloß Literarische beachten und jedem Werke immer im wesentlichen entgegentreten, es bei seinem Probleme fassen: und vor allem, daß Sie mit bereitem Herzen sich hinzugeben wissen. Es ist dies, was ich rühmend und dankbar sage, eigentlich existenzhaft notwendig für den großen Dichter, aber wie viele derer, die groß waren, sind eingefroren in der Starre ihres Ruhms, der Maske ihres Namens! Ich darf es Ihnen ohne Schamhaftigkeit sagen, daß Sie um dieser lebendigen Art, die Sie fast als Einziger jener Generation sich bewahrt haben, uns heute wie einst der wichtigste sind, weil Ihnen Problematik noch ins Blut dringt, eines Andern Anspannung Ihre Muskeln weckt und die Jugend sich von Ihnen noch immer am stärksten verstanden fühlt.


Ihre Worte waren mir sehr wichtig, und wie richtig Ihr Rat meine Absicht faßte, möge bezeugen, daß ich selbst die zwei Bilder, die Sie mir nannten, zur Ausschaltung bestimmt hatte. An eine vollkommene Bühnenerfüllung wage ich nicht zu denken: irgend etwas Festspielhaftes, Antikes schwebte mir dunkel vor, und ich wehrte mich eigentlich gegen meinen wachen Theaterinstinct. Messe ich dem Werke selbst Wert zu, so geschieht es vor allem, weil es gegen das Gesetz des Gefallens die Mischung des heroischen Dramas mit dem Liebesconflict geflissentlich vermied (Wallenstein scheint mir da die ewige Warnung einer Verschmierung tragischer Linie durch himmelblaue Ornamente) und wiederum gegen das Gesetz, aber gemäß der Idee des Alten Testaments, die Ekstase als höchste Triebkraft des Menschen gegen seinen Gott darstellt. Die Ekstase, den vulcanischen Urwillen des berufenen Menschen, nicht den irdischen, zweckstrebigen kleinen Willen des Kraftmenschen, der zu allen Dingen der Welt, aber nie zu Gott gelangt. Und daß Leid selbst die Wehmutter dieses großen Gefühls ist und ewig sein muß – nicht es erzeugend, aber ihm zum Durchbruch helfend –, dies habe ich erlebt, denn nur unter ungeheuerstem Druck, gequält vom stumpfesten Militärdienst, zerrissen in meinem europäischen Gefühl (dem 10 Jahre Arbeit und Aufbau in Stücke brachen), habe ich mich so zu steigern vermocht. Und der hier den Krieg um der Andern, um der Leidenden, der Gegeißelten, der Toten, der Witwen willen verflucht – um seiner selbst willen segnet er den Krieg. Ich weiß, was diese Prüfung mir war! Möge sie es Deutschland, möge sie es der ganzen Welt sein, dem gekreuzigten Europa! Ich danke Ihnen aus allen Tiefen meines Herzens!


Ihr getreuer Stefan Zweig


P.S. Ich freue mich so sehr auf Ihr neues Werk! Und viele Grüße Ihrer verehrten Frau Gemahlin!


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An Richard Dehmel


(undatiert; vermutlich 12.7.1919)


Verehrter Herr Dehmel,


Nichts konnte mich mehr verwundern und erschrecken als Ihre Karte. Ich bin leider nicht ein Briefschreiber des richtigen Ranges wie Goethe, der sich Brouillons aufbewahrte oder Kopien anfertigen ließ, weiß also nicht, welchem Worte Sie eine so unverständliche Auffassung meines Gefühles für Sie oder Ihr Volk anheften. Schade, daß Sie ihn in den Papierkorb warfen: vielleicht hätte ihn ruhiges Lesen doch entschuldigt, denn wenn auch in der Erregtheit der Stunde meinerseits geschrieben, war er gewiß in der gleichen Erregtheit der gleichen Stunde von Ihnen gelesen. Nun denke ich, daß beiderseits diese Erregtheit kein übles Zeichen ist: nichts kränkt, nichts erschüttert mich mehr als die Gleichgültigkeit, die Tausende, ja Millionen in diesen Tagen hatten (ein verläßlicher Freund schilderte mir diesen Tag in Berlin, und ich habe hier und in Wien nie eine so heitere Frühlingslaune gesehen bei dem Volke als in den ersten Tagen des unterzeichneten Friedens).


Ich glaube aber und wiederhole, daß es ein Unglück Deutschlands war, daß die Führer und Verführer der Nation sich nicht selbst gerichtet haben, daß Tirpitz statt wie ein Admiral auf sinkendem Schiffe unterzugehen und den Revolver zu nehmen, in die Schweiz flüchtete und Ludendorff nach Schweden, daß die Anzettler der Fabriksausräumungen in Belgien und Frankreich (für die noch die Kinder ihrer Kinder werden bezahlen müssen) ruhig in Deutschland Spazierengehen: daß diese Menschen, die von Millionen die unerhörteste Anspannung des Willens nach ihrem Wahn verlangten, nun die Schuld nicht freiwillig zahlen. Und ich halte es für ein Unglück Deutschlands, daß es nicht unverbrauchte neue Menschen an seine Spitze stellte, daß es wiederum Erzberger und die anderen Geschmeidigen nahm, die ihm unendlichen Schaden getan.


Es scheint, daß Sie anderer Meinung sind und die Nationalversammlung für die würdige Vertretung des wahren Deutschland halten. Das sind politische Ansichtsverschiedenheiten, über die selbst der mit reinsten Formen geführte Streit doch nur eine erhabene Kannegießerei wird. Was mein Brief ersehnte, war, Sie zu einem Wort, zu einer Tat aufzurufen: manche Stellen Ihres Tagebuches zeigen mir, daß in Ihnen der Wille, die Kraft zu einem mahnenden Propheten, aber auch zu einem züchtigenden Propheten ihres Vaterlandes wäre und daß Sie vielleicht die Pflicht haben, heute politisch (das heißt überpolitisch) die Führung zu übernehmen. Es ist eine große Scheu, eine zu große der deutschen wirklichen Menschen vor der Tat: warum sind Sie, warum sind die wichtigsten Menschen wie Rathenau, politische Naturen wie Thomas Mann, wie Heinrich Mann bei den Reichstagswahlen abseits geblieben? Warum, auf die Gefahr hinein zu erliegen, nicht vor der Urne gestanden? In Bordeaux 1871 hielt Victor Hugo eine unvergeßliche Rede an die Nation: Warum sprach nicht ein Dehmel, ein Hauptmann, ein Thomas Mann in der deutschen Nationalversammlung, sondern ein Professor, zwei Rechtsanwälte und sonst Professionspolitiker. Sie haben Ihre Pflicht gefühlt am ersten Kriegstage: ich sehe Ihre Pflicht heute mehr als je in einer geistigen Führung, in einer öffentlichen Tätigkeit.


Ich sage das, obwohl ich in Vielem anders denke als Sie. Ich halte den nationalen Gedanken für eine Gefahr und glaube, daß wir durch den Brennpunkt seiner Überschätzung durchgehen. Sowenig wir heute begreifen, daß Deutschland sich dreißig Jahre wegen des heiligen Abendmahles und seiner Deutung zerfleischte, sowenig wird eine Welt in 200 Jahren verstehen, wie unser (dann längst schon einiges) Europa wegen Sprachenfragen und Grenzen sich so martern und zernichten konnte. Freilich: jene Welt wird wieder einen anderen, einen neuen Wahn haben und für den ebenso töricht sich selbst vernichten, in anderem Kampfe die gleiche Fülle von Begeisterung, Haß, Mißverstehen, Aufopferung und Liebe erzeugen. Und vielleicht ist es dem unsichtbaren Willen nur um dies zu tun: daß ewig diese Kräfte des Einzelnen in den Massen zur Wirkung kämen.


Ich habe mich seit Jahren gezwungen (auch oft gegen mein Gefühl) keine Gemeinsamkeiten als moralische Werte anzuerkennen. Es gibt keine Gerechtigkeit, keine Freiheit, keinen Mut bei einem Volke und bei dem anderen nicht: ich kenne nur liebe Menschen (so Richard Dehmel, und wenn er mir auch das Tintenfaß an den Kopf wirft, ich werde nie aufhören auch seinen Zorn zu ehren), ich liebe die Sprachen und ihren vielfältigen Geist, aber ich sehe in den Staaten nur zufällige Formen. Was bin ich zum Beispiel? Deutscher, wenn wir zu Deutschland geschlossen werden, Deutsch-Österreicher, wenn uns die Entente zu einer Selbständigkeit hilft, Tschechoslowake, weil mein Vater Deutsch-Böhme ist und wir vielleicht morgen schon annektiert werden, Jude, wenn das Judentum hier zur Minderheitsnation umgezwungen wird. Das ist kein Einzelschicksal: Millionen wissen heute nicht, was sie sind, die Vorarlberger werden morgen Schweizer sein – ich empfinde das alles als Farce, so wie ich Bismarcks Deutsches Reich als einen sehr mächtigen großen Staat zwar, nie aber als die Deutsche Welt empfunden habe (die einzig im Unsichtbaren, in der Sprache und im Geiste liegt).


Darüber werden wir wahrscheinlich verschiedener Ansicht sein und all die Ehrfurcht, die ich für Sie habe, kann mich da zu keiner Aufgabe meiner Gefühle zwingen. Ich bitte Sie nur um Eines: nicht zu glauben, daß ich jemals die Ehrfurcht vor Ihrer Meinung und Stellung verletzen wollte oder verletzt hätte.


Was ich über Ihr Tagebuch öffentlich schrieb, bezeugt doch den unwandelbaren Respekt vor Ihrer politischen, poetischen und menschlichen Gesinnung, wenn ich auch die Monotonie der äußeren Geschehnisse als künstlerisch hemmend empfinde: ich glaube gerade, daß ein so leidenschaftlicher Gegner des Krieges und jedes Nationalgefühls als Zeuge für die Reinheit und Hoheit Ihrer Gesinnung mehr zählt als Einer, der Ihren Ideen von Anfang verbrüdert war. Und wenn ich, der ich in so Vielem gegen Ihre Meinung stehe, Sie zur Tat rufe, zur Übernahme öffentlichen Wortes, öffentlicher Stellung, wenn ich glaube, daß Deutschland heute ein moralischer Mensch in der Führung wichtiger ist als ein Dutzend politischer, so möge Ihnen dies doch ein Zeichen sein. Ich halte ebenso die politische Meinung eines Thomas Mann nicht für die richtige, dennoch würde ich tausendmal lieber ihn an der Spitze sehen als irgendeinen der jetzt im Unkraut der Zeit üppig aufschießenden Literaten-Internationalisten. Ich ehre nicht die Partei, sondern die Gesinnung. Und in diesem Punkte kann ich nicht anders: Deutschland hat Parteimenschen gewählt, parteimäßig für Unterwerfung oder Widerstand gestimmt, statt sich großen verantwortlichen Menschen anvertraut. Wären Sie, wäre Thomas Mann im Reichstage gewesen, so wäre die Sitzung ein Unvergeßliches geworden für die späteren Generationen, eine Erschütterung für alle Geister Europas.


Ich bitte Sie also nicht, mir meine Gesinnung zu verzeihen, sondern mein Gefühl zu verstehen, das für Sie das unverbrüchiger Liebe und Verehrung ist, mögen Sie mich auch als einen Schädling oder Verführten mißachten und zurückstoßen.


Ihr getreuer Stefan Zweig.


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Die hier vorzufindene Sammlung der gemeinfreien Werke Stefan Zweigs ist aus der Ausgabe des Null Papier Verlages übernommen. Zu dieser Ausgabe gelangen Sie durch einen Klick auf diesen Eintrag.