Die Wolken


Vom Glanz des Mittags golden angeglüht
Lieg ich im Gras. Ich bin so wohlig müd.


Ein Schweigen flimmert. Warmen Atems ruht
Das Leben aus. Nur hoch in blauer Flut


Gehn Wolken hin, das einzig noch Bewegte
Der schwülen Welt, die sich zum Schlafe legte.


Gehn Wolken hin… Ich seh die linden leisen
Gestalten leichtbeschwingt wie Träume reisen.


So weiß sind sie, so lächelnd aller Schwere,
Daß ich zutiefst so leises Glück begehre.


Du erste, träumerisch und mädchenzart,
Dir geb ich meine Sehnsucht auf die Fahrt,


Und dir, du zweite, mit den hellen schnellen
Armen dich stoßend durch die blauen Wellen,


Nimm die Erinnerung! Die kettet an
Die Welt mein Herz. Du weißer wilder Schwan


Schaust auch die Welt, doch deine Schwingen spüren
Die Dinge nicht, die sie im Flug berühren.


Und du mit dem demantenem Geleucht
Nimm diese Träume, noch von Tränen feucht!


Du Dunkle aber, wandernd ohne Ziel
Verliebten Winds unwilliges Gespiel,


Du nimm mein Leid an deine vollen Brüste
Und wieg es weiter! Ferne winkt die Küste


Des Abends schon wie dunkelblaue Seide. –
Ihr Wolken, weißes wehendes Geschmeide,


Wie rasch ihr geht! Mit lauen Händen streicht
Der Wind euch weiter. Und mein Herz wird leicht.


Was Unrast noch in meinem Blute war,
Weht weit im Wind wie loses Frauenhaar.


Was sehnte ich? Ich seh die Wolken wehn,
Ihr Lächeln friedsam auf mich niedersehn.


Nichts will ich mehr… Der letzte Wunsch entglitt.
Nichts hält mich mehr… Ich reise träumend mit.

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Die hier vorzufindene Sammlung der gemeinfreien Werke Stefan Zweigs ist aus der Ausgabe des Null Papier Verlages übernommen. Zu dieser Ausgabe gelangen Sie durch einen Klick auf diesen Eintrag.