Mutterschaft
Dieser Besuch Kaiser Josephs II. scheint, historisch gesehen, eine belanglose Episode im Leben Marie Antoinettes; in Wahrheit bewirkt er die entscheidendste Umstellung. Denn schon einige Wochen später zeigen sich die Früchte der Zwiesprache des Kaisers mit Ludwig XVI. über das heikle Thema des Alkovens. Mit neuem Mut macht sich der Gekräftigte an seine ehelichen Pflichten. Noch am 19. August 1777 meldet Marie Antoinette nach Wien bloß »un petit mieux«: ihr (jungfräulicher) »Zustand sei unverändert«, der große Angriff noch nicht gelungen, »aber ich zweifle dennoch nicht daran, denn eine kleine Besserung ist zu verzeichnen, nämlich, der König wird zärtlicher als vordem, und das bedeutet viel bei ihm«. Am 30. August ertönt endlich, endlich die Siegesfanfare; zum erstenmal nach unzähligen Niederlagen in diesem siebenjährigen Kriege des Eros hat der »nonchalant mari« die gar nicht verteidigte Festung erstürmt. »Ich befinde mich im größten Glück für mein ganzes Leben«, eilt Marie Antoinette der Mutter zu berichten: »jetzt sind es schon acht Tage her, daß meine Ehe vollkommen vollzogen ist; der Versuch wurde erneuert und gestern noch vollständiger als das erstemal. Ich dachte zuerst, sofort einen Kurier an meine teure Mutter abzusenden, aber ich bekam dann Angst, das würde zuviel Aufsehen und Geschwätz verursachen, auch wünschte ich, meiner Sache erst vollkommen sicher zu sein. Ich glaube noch nicht schwanger zu sein, aber ich habe jetzt wenigstens die Hoffnung, es von einem Augenblick zum andern werden zu können.« Lange bleibt diese glorreiche Wendung übrigens kein Geheimnis: der spanische Botschafter, der bestinformierte von allen, weiß seiner Regierung sogar das Datum des schicksalswendenden Tages (25. August) zu melden und fügt bei: »Da ein solches Ereignis interessant und von öffentlicher Wichtigkeit ist, habe ich mit den Ministern Maurepas und Vergennes einzeln darüber gesprochen, und beide haben mir die gleichen Umstände bestätigt. Übrigens ist sicher, daß der König die Sache einer seiner Tanten erzählte und mit viel Freimut sagte: ›Ich liebe sehr diese Art des Vergnügens und bedaure, sie so lange nicht gekannt zu haben.‹ Seine Majestät ist jetzt viel heiterer als früher, und die Königin hat jetzt öfter, als man es bisher beobachtet hatte, umränderte Augen.« Der erste Jubel der jungen Frau über ihren tüchtigen Ehemann erweist sich übrigens noch als verfrüht, denn diesem »neuen Vergnügen« geht Ludwig XVI. bei weitem nicht so eifrig nach wie der Jagd, und schon zehn Tage später muß Marie Antoinette der Mutter wieder klagen: »Der König liebt es nicht, zu zweit zu schlafen. Ich suche ihn zu bewegen, wenigstens nicht gänzlich auf diese Gemeinschaft Verzicht zu leisten. Manchmal verbringt er die Nacht bei mir, und ich glaube ihn nicht quälen zu dürfen, es öfter zu tun.« Die Mutter hört dies mit wenig Freude, weil sie diesen Punkt als sehr »essentiell« betrachtet, aber sie stimmt der taktvollen Tochter bei, ihren Gatten nicht zu bedrängen; nur solle sie sich auch ihrerseits mehr als bisher den Bettstunden ihres Gatten anpassen. Die in Wien brennend ersehnte Nachricht der eingetretenen Schwangerschaft läßt in dieser unleidenschaftlichen Ehe also noch immer auf sich warten, erst im April glaubt die ungeduldige Frau, ihren innigsten Wunsch erfüllt zu fühlen. Schon bei den ersten Anzeichen will Marie Antoinette rasch an ihre Mutter einen Eilkurier abschicken, aber der Hofarzt, obwohl privatim bereit, tausend Louis zu wetten, daß die Königin recht habe, rät zunächst ab. Am 5. Mai meldet der vorsichtige Mercy die Gewißheit, am 4. August wird die Schwangerschaft am Hof amtlich verkündet, nachdem die Königin am 31. Juli um halb elf Uhr abends die ersten Bewegungen des Kindes gespürt hat. »Seitdem«, schreibt sie an Maria Theresia, »bewegt es sich oft, und das macht mir große Freude.« Ihrer guten Laune bereitet es besonderen Spaß, auf urwüchsige Weise dem spät erprobten Gatten seine Vaterschaft mitzuteilen. Sie tritt vor ihn hin, zieht ein finsteres Gesicht, stellt sich beleidigt: »Sire, ich muß mich über einen Ihrer Untertanen beschweren, der so kühn gewesen ist, mir mit den Füßen in den Bauch zu stoßen.« Der brave König versteht nicht gleich, dann lacht er stolz behäbig und umarmt, von seiner eigenen unerwarteten Tüchtigkeit ganz verblüfft, seine Frau.
Sofort beginnen jetzt die vielfältigsten öffentlichen Zeremonieen. In den Kirchen werden Tedeums gesungen, das Parlament sendet seine Glückwünsche, der Erzbischof von Paris ordnet Bittgebete für den glücklichen Verlauf der Schwangerschaft an; mit ungeheurer Sorgfalt wird für das kommende Königskind die Amme ausgesucht, für die Armen werden hunderttausend Livres bereit gehalten. Alle Welt ist auf das große Ereignis gespannt, nicht am wenigsten der Geburtshelfer, für den diese Entbindung eine Art Glücksspiel bedeutet, denn im Falle eines Thronerben winken ihm vierzigtausend Livres Pension und nur zehntausend im Falle einer Prinzessin. Geradezu aufgeregt aber wartet der Hof auf das langversagte Schauspiel, denn nach jahrhundertelang geheiligtem Brauch stellt die Entbindung einer Königin von Frankreich keineswegs nur ein privates Familienereignis dar; ihre schwere Stunde muß nach den uralten Regeln angesichts aller Prinzen, Prinzessinnen und unter der Kontrolle des ganzen Hofes vor sich gehen. Jedes Mitglied der königlichen Familie sowie eine Reihe der höchsten Würdenträger haben das Recht, während des Geburtsaktes im Zimmer der Wöchnerin anwesend zu sein, und keiner denkt natürlich im entferntesten daran, auf dieses barbarische und gesundheitsstörende Privileg zu verzichten. Aus allen Provinzen, von den entlegensten Schlössern kommen die Neugierigen herausgefahren, die kleinste Mansarde in der winzigen Stadt Versailles ist bewohnt, und der riesige Menschenzudrang treibt die Lebensmittelpreise auf das Dreifache hinauf. Aber die Königin läßt die ungewünschten Gäste lange auf das Schauspiel warten. Endlich, am 18. Dezember, schellt nachts die Glocke durch das Haus, die Wehen haben begonnen. Als erste stürzt Madame de Lamballe in das Zimmer der Wöchnerin, hinter ihr aufgeregt alle Ehrendamen. Um drei Uhr werden der König, die Prinzen und Prinzessinnen geweckt, Pagen und Garden setzen sich aufs Pferd und rasen in gestrecktem Galopp nach Paris und Saint-Cloud, um alles, was königlichen Geblüts oder prinzlichen Rangs ist, als Zeugen rechtzeitig heranzuholen: es fehlt nur noch, daß man Sturmglocken läutet oder Alarmkanonen abschießt.
Ein paar Minuten, nachdem der Hofarzt mit lauter Stimme angekündigt hat, die schwere Stunde der Königin sei gekommen, poltert die ganze adelige Rotte herein; dichtgedrängt im engen Zimmer setzen sich die Zuschauer auf nach der Rangordnung gestellten Fauteuils rings um das Bett. Die in den Vorderreihen nicht mehr Platz gefunden haben, steigen sogar auf Sessel und Bänke, damit ihnen um Gottes willen nur keine Bewegung, kein Stöhnen der gequälten Frau entgehe. Die Luft wird in dem verschlossenen Raum immer dicker und schwüler vom Atem der etwa fünfzig Menschen, von dem scharfen Geruch des Essigs und der Essenzen. Aber niemand öffnet ein Fenster, keiner verläßt seinen Platz, und sieben volle Stunden dauert die öffentliche Folterszene, bis endlich um halb zwölf Uhr mittags Marie Antoinette einem Kind das Leben gibt – hélas! – einer Tochter. Ehrfurchtsvoll trägt man den Königssprossen in ein nachbarliches Kabinett, um ihn zu baden und dann sofort der Obhut der Gouvernante zu übergeben; von Stolz bewegt folgt der König, um die späte Leistung seiner Lenden zu bewundern, hinter ihm drängt neugierig wie immer der ganze Hof – da plötzlich tönt ein geller Befehl des Geburtshelfers: »Luft und heißes Wasser! Ein Aderlaß ist notwendig.« Der Königin ist plötzlich das Blut zu Kopf gestiegen; in Ohnmacht gefallen, halb erstickt von der verpesteten Luft und vielleicht auch von der Anstrengung, angesichts der fünfzig neugierigen Zuschauer ihre Schmerzen zu unterdrücken, liegt sie regungslos und röchelnd in den Kissen. Ein allgemeiner Schreck entsteht, der König reißt eigenhändig die Fenster auf, alles läuft entsetzt durcheinander. Aber das heiße Wasser kommt und kommt nicht: an sämtliche mittelalterlichen Zeremonieen haben die Schranzen bei dieser Geburt gedacht, nur nicht an die natürlichste Maßnahme in solchem Falle: heißes Wasser bereit zu halten. So wagt der Chirurg den Aderlaß ohne jede weitere Vorbereitung. Ein Blutstrahl spritzt aus der angeschlagenen Ader des Fußes und siehe: die Königin schlägt die Augen auf, sie ist gerettet. Jetzt erst bricht ungehemmt der Jubel los, man umarmt sich, man beglückwünscht sich, man weint vor Freude, und die Glocken dröhnen die frohe Botschaft ins Land.
Die Qual der Frau ist zu Ende, das Glück der Mutter beginnt. Wenn auch die Freude nicht vollkommen ist, die Kanone nur einundzwanzigmal zu Ehren einer Prinzessin erdröhnt, statt hunderteinmal, um einen neugeborenen Thronfolger zu begrüßen, so jubeln doch Versailles und Paris. Stafetten werden abgeschickt in alle Länder Europas, Almosen verteilt im ganzen Land, Gefangene aus Schuldhaft und Kerkern befreit, hundert junge Verlobte auf Kosten des Königs neu gekleidet, vermählt und mit einer Mitgift beschenkt. Als die Königin, von ihrem Wochenbett aufgestanden, nach Notre-Dame kommt, erwarten sie in glückseliger Reihe dort die hundert Paare – der Polizeiminister hat mit Absicht besonders hübsche ausgesucht – und begrüßen begeistert ihre Wohltäterin. Für das Volk von Paris gibt es Feuerwerk, Festbeleuchtung, Wein aus sprudelnden Brunnen, Brot- und Wurstverteilung, freien Zutritt in die Comédie Française, den Kohlenbrennern wird die Loge des Königs, den Fischweibern die der Königin zugewiesen: auch die Armen sollen einmal Feste feiern dürfen. Alles scheint jetzt glücklich und gut, nun könnte Ludwig XVI. ein heiterer, selbstsicherer Mann werden, seit er Vater, und Marie Antoinette eine glückliche ernste, gewissenhafte Frau, seit sie Mutter ist: das große Hemmnis ist beseitigt, die Ehe gesichert und gestärkt. Eltern, Hof und das ganze Land, sie dürfen sich freuen, und sie freuen sich tatsächlich ausgiebig mit Feiern und Vergnügungen.
Eine einzige nur ist nicht ganz zufrieden: Maria Theresia. Durch diese Enkelin scheint ihr die Stellung ihres Lieblingskindes zwar verbessert, aber noch nicht genug gefestigt. Als Kaiserin, als Politikerin denkt sie über das private Familienglück hinaus unaufhörlich vor allem an die Erhaltung der Dynastie. »Wir brauchen unbedingt einen Dauphin, einen Thronfolger.« Wie eine Litanei wiederholt sie die Mahnung an die Tochter, nur nicht jetzt »lit à part« zu machen, keiner Leichtfertigkeit sich hinzugeben. Als neuerdings Monat um Monat ohne Schwangerschaft vergeht, wird sie geradezu zornig, wie schlecht Marie Antoinette ihre ehelichen Nächte nützt. »Der König zieht sich zu früher Stunde zurück, er steht früh auf, die Königin tut das Gegenteil, wie kann man da etwas Gutes erwarten? Wenn man sich nur so im Vorübergehn sieht, ist kein wirklicher Erfolg zu erhoffen.« Immer lebhafter wird ihre Dringlichkeit. »Bisher war ich diskret, aber nun werde ich zudringlich werden; es wäre ein Verbrechen, nicht mehr Kinder dieses Blutes zu zeugen.« Nur dies eine will sie noch erleben: »Ich habe Ungeduld – in meinem Alter kann man nicht mehr lange warten.«
Aber diese letzte Freude, einen zukünftigen König von Frankreich aus ihrem habsburgischen Blute zu sehen, ist ihr nicht mehr vergönnt. Die nächste Schwangerschaft Marie Antoinettes bleibt fruchtlos; eine heftige Bewegung, um das Fenster der Karosse zu schließen, verschuldet eine Fehlgeburt, und ehe der langersehnte, der so ungeduldig herbeigewünschte Enkel geboren oder auch nur zu erwarten ist, erliegt am 29. November 1780 Maria Theresia einer Lungenentzündung. Zwei Wünsche hatte die alte, vom Leben längst enttäuschte Frau noch an das Dasein gerichtet. Den ersten: von ihrer Tochter geboren, einen Enkel für den französischen Thron zu sehen – ihn hat ihr das Schicksal versagt. Aber den andern: nicht mehr erleben zu müssen, wie ihr eigenes geliebtestes Kind durch Torheit und Unverstand ins Unglück gerät, ihn hat der frommen Frau ihr Gott erhört.
Erst ein Jahr nach Maria Theresias Hinscheiden bringt Marie Antoinette den ersehnten Sohn zur Welt: im Hinblick auf die aufregenden Vorfälle bei der ersten Geburt war diesmal die große Schaustellung in der Wochenstube abgesagt worden; nur allernächste Familienmitglieder hatten Zutritt erhalten. Diesmal geht die Geburt leicht vonstatten. Doch als man das neugeborene Kind hinausträgt, hat die Königin nicht mehr Kraft zu fragen, ob es ein Knabe oder wieder nur ein Mädchen sei. Aber da tritt der König an ihr Bett, Tränen fließen dem sonst schwer erregbaren Mann die Wangen herab, und mit seiner schallenden Stimme kündigt er an: »Der Kronprinz wünscht einzutreten.« Nun bricht allgemeiner Jubel los, beide Türen werden feierlich geöffnet, unter Beifallsrufen des versammelten Hofes wird das gewaschene und gewindelte Kind – der Herzog der Normandie – der beglückten Mutter wiedergebracht. Jetzt kann sich das große Kronprinzen-Geburtszeremoniell endlich ausleben. Abermals ist es der schicksalsbestimmte Gegenspieler Marie Antoinettes, Kardinal Rohan, er, der immer in entscheidender Stunde ihren Weg kreuzen soll, welcher die Taufe vornimmt; eine prächtige Amme wird besorgt, die erheiternderweise Madame »Poitrine« heißt, die Kanonen erdröhnen, bald weiß Paris von dem Ereignis. Und neuerdings beginnt, bedeutend großartiger als bei der Geburt der Prinzessin, der Reigen der Feste. Alle Zünfte senden, von Musikanten begleitet, Abordnungen nach Versailles, neun Tage dauert der farbenprächtige Aufmarsch der Gilden, denn jeder Stand will den neugeborenen zukünftigen König in seiner besonderen Art begrüßen. Die Rauchfangkehrer schleppen im Triumph einen ganzen Schornstein herbei, auf dessen Höhe kleine Schornsteinfeger sitzen und lustige Lieder singen; Fleischer treiben einen dicken Ochsen heran, Sänftenträger bringen eine vergoldete Sänfte, in der eine Amme und ein kleiner Dauphin als Puppen sitzen, Schuhmacher kleine Kinderschuhe, Schneider eine Miniaturuniform seines künftigen Regiments, die Schmiede einen Amboß, den sie in musikalischem Takt schlagen. Die Schlossermeister aber, die in dem König einen kollegialen Liebhaber ihres Handwerks wissen, haben sich besonders bemüht; sie spenden ein kunstvolles Geheimschloß, und als es Ludwig XVI. mit der Neugier des Fachmanns öffnet, springt ein kleiner Dauphin heraus, wunderbar aus Stahl gearbeitet. Die Damen der Halle wiederum, dieselben, die ein paar Jahre später die Königin mit ordinärsten Zoten verhöhnen werden, kleiden sich nobel in schwarze Seidenkleider und sagen Ansprachen von La Harpe auf. In den Kirchen werden Gottesdienste gehalten, im Stadthaus von Paris veranstalten die Kaufleute ein großes Bankett; der Krieg mit England, die Not, alles Unangenehme ist vergessen. Einen Augenblick gibt es keinen Unfrieden und keine Unzufriedenen mehr, sogar die zukünftigen Revolutionäre und Republikaner schwelgen in geräuschvollstem Erzroyalismus. Der spätere Präsident der Jakobiner, Collot d’Herbois, damals noch schlichter Schauspieler in Lyon, verfaßt ein eigenes Stück zu Ehren »der hohen Fürstin, deren Tugenden alle Herzen erobert haben«, er, der spätere Unterfertiger des Todesurteils für Louis Capet, bittet ehrfürchtig den Himmel:
Pour le bonheur des Français,
Notre bon Louis seize
S’est allié pour jamais
Au sang de Thérèse.
De cette heureuse union
Il sort un beau rejeton.
Pour répandre en notre cœur
Félicité parfaite,
Conserve, o ciel protecteur,
Les jours d’Antoinette.
Noch ist das Volk seinen Herrschern verbunden, noch dieses Kind dem ganzen Lande geboren und seine Ankunft ein allgemeines Fest. An den Straßenecken erscheinen Geiger und Trompeter, man spielt, man fiedelt, man dudelt, man trommelt und singt und tanzt in allen Städten und Dörfern. Alles liebt, alles lobt den König und die Königin, die endlich so tapfer ihre Pflicht getan.
Nun ist der verhängnisvolle Bann endgültig gebrochen. Noch zweimal wird Marie Antoinette Mutter, 1785 bringt sie einen zweiten Sohn, den zukünftigen Ludwig XVII., zur Welt, ein kräftiges gesundes Kind, »einen richtigen Bauernjungen«, im Jahre 1786 ihr viertes und letztes, Sophie Beatrix, das jedoch nur ein Alter von elf Monaten erreicht. Mit der Mutterschaft beginnt die erste Verwandlung in Marie Antoinette, noch nicht die entscheidende, aber der Anfang einer Entscheidung. Die Schwangerschaften gebieten an sich schon immer mehrmonatige Enthaltung von ihren unsinnigen Amüsements, das zärtliche Spiel mit den Kindern wird ihr bald reizvoller als das frivole des grünen Tisches, ihr starkes, bisher an nichtige Gefallsüchtigkeiten verzetteltes Zärtlichkeitsbedürfnis hat endlich einen normalen Ausstrom gefunden. Der Weg zur Selbstbesinnung, er steht jetzt offen. Nur ein paar stille, ein paar glückliche Jahre noch, und sie wird selbst still werden, diese schöne Frau mit den zärtlichen Augen, sie wird, rückflüchtend aus dem Getümmel der Nichtigkeiten, zufrieden ihren Kindern zusehen, wie sie langsam ins Leben hineinwachsen. Aber diese Frist wird ihr vom Schicksal nicht mehr gegeben; gerade da die Unruhe in Marie Antoinette endet, beginnt sie in der Welt.
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Die hier vorzufindene Sammlung der gemeinfreien Werke Stefan Zweigs ist aus der Ausgabe des Null Papier Verlages übernommen. Zu dieser Ausgabe gelangen Sie durch einen Klick auf diesen Eintrag.