Lafcadio Hearn


1911


Den vielen, denen es nicht gegeben war, Japan zu erleben, die nur immer in stummer, sehnsüchtiger Neugier nach den Bildern greifen und mit Entzücken die kostbaren Zierlichkeiten japanischer Kunst in Händen halten, um sich aus so schwankem Gerüst von Tatsachen einen farbigen Traum des fernen Landes aufzubauen, all diesen ist in Lafcadio Hearn ein unvergleichlicher Helfer und Freund geworden. Was er uns von Japan erzählt hat, ist vielleicht nicht die ganze gewichtige Substanz der Tatsachen in der starren Kette statistischer Daten, sondern der sie überschwebende Glanz, die Schönheit, die über jeder Alltäglichkeit unkörperlich zittert, wie der Duft über der Blume, ihr zugehörig und doch schon von ihrem gefesselten Sein ins Unbegrenzte gelöst. Ohne ihn hätten wir vielleicht nie von diesen kleinen, ganz flüchtigen, uns jetzt schon so unsagbar kostbaren Imponderabilien heimischer Überlieferungen erfahren; wie Wasser wären sie der neuen Zeit durch die Finger geglitten, hätte er sie nicht zärtlich aufgefangen und in verschlossenem, siebenfach funkelndem Kristall der Nachwelt gerettet. Als Erster und Letzter zugleich hat er uns und dem Japan von heute, das sich mit beängstigender Eile von sich selber fortverwandelt, einen Traum vom alten Nippon festgehalten, den die Nachfahren später so lieben werden wie wir Deutschen die Germania des Tacitus. Einst, wenn die Menschen dort »das Lächeln der Götter nicht mehr verstehen werden«, wird diese Schönheit noch lebendig sein und die Späteren ergreifen als bedauerndes Besinnen an ihre selige, viel zu früh verlorene Kindheit.


Blättert man in diesen reichen Büchern, darin die Novelle der philosophischen Betrachtung, diese wieder der anspruchslosen Skizze die Hand reicht, wo Religion, Sage, Poesie und Natur so wundervoll ungeordnet ineindergleiten wie eben nur im Wirklichen, und blickt man dann aus dieser bunten Fülle auf Lafcadio Hearns Leben zurück, so ist man leicht versucht, an eine mystische Berufung dieses Menschen zu diesem Werke zu glauben. Als sei es vorbedachter Wille der Natur gewesen, daß gerade dieser erlesene Mensch dieses erlesene Werk, die Schönheit Japans gerade im entscheidenden Augenblick knapp vor ihrem Welken festhalte, so ist dieses merkwürdige Leben Stufe für Stufe vom ersten Beginn bis zur äußersten Vollendung seinem Zweck entgegengebaut. Denn ein besonderes Medium war hier notwendig, ein ganz außerordentliches Mittelding zwischen dem Morgenländer und Europäer, Christen und Buddhisten: ein zwiefältiger Mensch, einerseits befähigt, das Fremdartige dieser Schönheit von außen mit Staunen und Verehrung zu betrachten, sie aber anderseits schon verinnerlicht als eigenstes Erlebnis wie ein Selbstverständliches darzustellen und uns begreiflich zu machen. Einen ganz besonderen Menschen mußte sich die Natur zu diesem Zweck destillieren. Ein Europäer, ein flüchtig Reisender hätte das Land und seine Menschen verschlossen gefunden, ein Japaner wiederum unser Begreifen, denn in ganz anderen Sphären schwingt die Geistigkeit der Fernorientalen und die unsere aneinander vorbei. Etwas ganz Außerordentliches mußte geschaffen werden, ein Instrument von äußerster Präzision, befähigt, jede dieser seelischen Schwingungen zu spüren, jede in geheimnisvoller Übertragung weiterzugeben, und noch mehr: dieser richtige Mensch mußte im genau richtigen Augenblick erscheinen, da Japan ihm entgegengereift war und er für Japan, damit dieses Werk geschaffen werden konnte, diese Bücher von der sterbenden und zum Teil nur durch ihn unsterblichen Schönheit Japans.


Das Leben des Lafcadio Hearn, dieser Kunstgriff der Natur zu einem erhabenen Zweck, ist darum wert, erzählt zu werden. Im Jahre 1850 – fast zur gleichen Zeit, da die Europäer zum erstenmal in das verschlossene Land eindringen dürfen – wird er geboren, am anderen Ende der Welt, auf Leocadia, einem jonischen Eiland. Seine ersten Blicke begegnen azurnem Himmel, azurnem Meer. Ein Widerschein von diesem blauen Licht blieb ihm ewig innen; all der Ruß und Rauch der Arbeitsjahre vermochte ihn nicht zu verdunkeln. So war der Liebe zu Japan schon eine geheimnisvolle Präexistenz als Sehnsucht bereitet. Sein Vater war ein irländischer Militärarzt in der englischen Armee, seine Mutter eine Griechin aus vornehmer Familie: zwei Rassen, zwei Nationen, zwei Religionen durchdrangen sich in dem Kinde und bereiteten früh jenes starke Weltbürgertum vor, das ihn befähigen sollte, sich einst die Wahlheimat statt der wirklichen zu schaffen. Europa und Amerika sind dem Knaben nicht freund. Den Sechsjährigen bringen die Eltern nach England, wo das Unglück ihn ungeduldig erwartet, um ihm dann viele Jahre treu zu bleiben. Seine Mutter, frierend in der kalten, grauen Welt nach ihrer weißen Heimat, entflieht ihrem Gemahl, der kleine Lafcadio bleibt allein und wird in ein College gesteckt. Dort trifft ihn das zweite Unglück, beim Spiel mit Kameraden das eine Auge zu verlieren, und um das Maß seiner frühen Leiden voll zu machen: die Familie verarmt und Hearn wird unbarmherzig, noch ehe er seine Studien annähernd beendigen konnte, in die Welt hinausgestoßen.


Mit 19 Jahren steht nun dieser junge, unerfahrene Mensch, der nichts Rechtes gelernt hat, eigentlich noch ein schwächliches, dazu einäugiges Kind, ganz ohne Freunde und Verwandte, ohne Beruf und sichtliche Befähigung in den unerbittlichen Straßen von New York. Undurchdringliches Dunkel liegt über diesen bittersten Jahren seines Lebens. Was ist Lafcadio Hearn dort drüben alles gewesen? Tagelöhner, Händler, Verkäufer, Diener – vielleicht auch Bettler – jedenfalls war er lange in jener untersten Schicht von Menschen, die Tag und Nacht die Straßen Amerikas schwärzt und ihren Taglohn aus dem Abhub des Zufalls klaubt. Und fraglos: es muß ein furchtbares Martyrium gewesen sein, denn selbst die heiteren Jahre im Bambushause zu Kyoto vermochten ihn niemals zu einer Andeutung über diese äußersten Erniedrigungen seiner Existenz zu verlocken. Eine einzige Episode hat er verraten, die grelles Licht in das Dunkel schleudert: Lafcadio Hearn in einem Auswandererzug. Drei Tage hat er nichts gegessen, mit den blauen Schatten der Ohnmacht vor den Augen sitzt er im ratternden Wagen. Plötzlich, ohne daß er gebeten hat, reicht ihm eine norwegische Bäuerin von gegenüber ein Stück Brot hin, das er gierig hinabschlingt. Dreißig Jahre später hat er sich darauf besonnen, daß er damals, vor Hunger erwürgt, vergessen hatte, ihr zu danken. Ein Streiflicht. Dann wieder Jahre voll Dunkel irgendwo im Schatten des Lebens. In Cincinnati taucht er endlich neu auf, als Korrektor einer Zeitung, er, der Halbblinde. Nun aber sollte sich sein Schicksal befreien. Hearn wird zu Reportagen verwendet, zeigt darin überraschendes Geschick, und schließlich frißt sich sein schriftstellerisches Talent durch. In allen diesen dunklen Jahren muß schon neben der harten Arbeit bei ihm ein ständiger, innerlicher Prozeß beharrlicher Selbstbildung stattgefunden haben, denn jetzt schreibt er ein paar Bücher, die Kenntnis orientalischer Sprachen und ein feines Verständnis morgenländischer Philosophie verraten. Es ist unbeschreiblich, was dieser stille, sanftmütige Mensch im Lande der »aggressive selfishness« gelitten haben muß. Aber dieses große Leid war notwendig für sein Werk, war in seinem Schicksal ebenso als Notwendiges eingefügt wie jene mystische Sehnsucht nach der Insel im Blauen. Er mußte erst zweifeln lernen und verzweifeln an der ererbten Kultur, ehe er befähigt war, die neue zu begreifen: sein großes Dulden in europäischem Land sollte der Humus werden für die große Liebe von später. Das aber wußte er damals noch nicht, er spürte nur das Nutzlose, Freudlose, Sinnlose seines Lebens in diesem fiebernden Land, er empfand sich ständig als Fremdkörper im Rhythmus dieser Rasse – »nie werde ich ein Gote, ein Germane werden«, stöhnt er auf – und flüchtet in die Tropen nach Französisch-Westindien, schon hier beglückt durch die stillere Form des Lebens. Fast schien es, als wollte sein Leben sich hier schon verankern, der Erwählte vorschnell der Berufung entgehen. Aber im Buche seins Schicksals stand Größeres geschrieben. Im Frühjahr 1890 bot ihm ein Verleger an, nach Japan zu reisen, um dort gemeinsam mit einem Zeichner Skizzen aus dem Volksleben für seine Zeitschrift zu verfassen. Die Ferne lockt Lafcadio Hearn, er nimmt den Vorschlag an und verläßt für immer die Welt seines Unglücks.


In seinem vierzigsten Jahre betritt er Japan, arm, müde, heimatlos, seit zwei Jahrzehnten ohne Lebenszweck von einem Ende der Welt zum anderen geschleudert, ein Halbblinder, ein Einsamer, ohne Weib und Kind, ohne Namen und Ruhm. Und wie Odysseus nachts an den Strand der ersehnten Insel getragen, ahnt er im Nahen nicht, wagt er gar nicht zu hoffen, daß er schon in der Heimat sei. Er wußte nicht, daß der Hammer des Schicksals nun ruhen würde, daß sein Leben in jenem Mai 1890 an der Schwelle der Erfüllung stand. Das Land der aufgehenden Sonne, im tiefsten Sinn des Wortes, war für ihn gefunden und das Korn, das fruchtlos im Wind hin und her getanzt hatte, fand endlich die hüllende Scholle, in der es aufblühen und sich entfalten konnte.


»Es ist, wie wenn man aus unerträglichem atmosphärischen Druck in klare, stille Luft treten würde« – das war sein frühester Eindruck. Zum ersten Male spürte er das Leben nicht mit voller Wucht an sich hängen, die Zeit nicht wie in Amerika gleich einem rasend gewordenen Rade um seine Stirne schwingen. Er sah Menschen mit stiller Freude am Arglosen, Menschen, die Tiere liebten, Kinder und Blumen, sah die fromme, erhabene Duldsamkeit ihres Lebens und begann wieder an das Leben zu glauben. Er beschloß zu bleiben, zunächst einen Monat oder zwei – und blieb für sein Leben. Zum ersten Male hielt er Rast, zum ersten Male, noch ehe er es selbst empfinden durfte, glaubte er Glück zu sehen. Und vor allem, er sah, zum erstenmal in seinem Leben durfte er schauen, ruhig schauen, liebevoll mit dem betrachtenden Blick die Dinge anfassen, statt, wie drüben in Amerika bei den Reportagen, hastig an den Erscheinungen vorbeizuhetzen. Die ersten Worte, die Lafcadio Hearn über Japan schrieb, waren ein Staunen, das Staunen eines Großstadtkindes, das mit ungläubigen Augen das Wunder einer wirklich blühenden Gebirgswiese sieht, ein sanftes Staunen größter Beglücktheit, zuerst noch leise unterklungen von der heimlichen Angst, all dies nicht halten, fassen und verstehen zu können.


Aber was dann später seine Bücher so einzigartig und seltsam macht, ist die verblüffende Tatsache, daß sie nicht mehr Werke eines Europäers sind. Freilich auch nicht die eines echten Japaners, denn dann könnten wir sie ja nicht verstehen, nicht so geschwisterlich mit ihnen leben. Sie sind etwas ganz Eigenartiges in der Kunst, ein Wunder der Transplantation, der künstlichen Aufpfropfung: die Werke eines Abendländers, aber von einem Fernorientalen geschrieben. Sie sind eben Lafcadio Hearn, dieses unvergleichliche Ereignis einer Vermischung, dies einzigartige Geschehen der Völkerpsychologie. Diese geheimnisvolle Mimikry des Künstlers an den Gegenstand hat bewirkt, daß man Hearns Bücher gar nicht mehr wie mit der Feder geschrieben empfindet, sondern aus der Perspektive der zärtlichen Nähe gezeichnet mit dem feinen Tuschpinsel der Japaner, in Farben, die zart sind wie der Lack auf jenen entzückenden Schächtelchen, erlesenste Proben jener Kleinkunst, jenes japanischen Bric-à-brac, das er selbst einmal so verliebt geschildert hat. Man muß immer an die farbigen Holzschnitte denken, die größten Kostbarkeiten der japanischen Kunst, die landschaftlichen Schilderungen voll zartester Details, wenn man diese kleinen Novellen liest, die sich bescheiden zwischen den Essais verbergen, oder jene Gespräche, die am Straßenrand beginnen, mitten im Gelegentlichen, und dann sanft in die tiefsinnigsten Weltbetrachtungen, zu den Tröstungen des Todes und den Mysterien der Transmigrationen emporführen. Nie vielleicht wird das Wesen der japanischen Kunst uns klarer werden als aus diesen Büchern: und zwar nicht so sehr durch die Tatsachen, die sie uns berichten, sondern eben durch diese einzigartige Darstellung selbst.


Und dies war das dunkle Ziel, zu dem das Schicksal Lafcadio Hearn aufgespart und erzogen hatte. Er sollte in ihrer eigenen Kunstart von diesem unbekannten Japan erzählen, all die vielen kleinen Dinge, die bislang im Dunkeln waren, die zerbrechlichen, die anderen zwischen den Fingern geblieben wären, die vergänglichen, die der Sturm der Zeit verweht hätte, wäre er nicht im richtigen Augenblicke gekommen, all diese tiefsinnigen Sagen des Volkes, die rührenden Aberglauben, die kindisch patriarchalischen Gebräuche. Diesen Duft einzufangen, diesen Schmelz von der schon welkenden Blume abzustreifen, dazu hatte ihn das Schicksal bestimmt.


Freilich wuchs schon damals ein anderes Japan neben dem seinen empor, das Japan der Kriegsvorbereitungen, das Dynamit erzeugte und Torpedos baute, jenes gierige Japan, das allzu rasch Europa werden wollte. Aber von diesem brauchte er nicht zu reden, das wußte sich schon selbst bemerkbar zu machen mit der Stimme der Kanonen. Sein Werk war es, von den leisen Dingen zu reden, deren zarter, blumenhafter Atem uns nie erreicht hätte und die vielleicht wichtiger waren für die Weltgeschichte als Mukden und Port Arthur.


Zehn Jahre wohnte er friedlich dort in Kyoto, lehrte in Schulen und an der Universität die englische Sprache, glaubte noch immer als Fremder diese neue Welt zu betrachten, noch immer Lafcadio Hearn zu sein, und merkte nicht, wie er langsam von außen nach innen geriet, wie das gelockerte Europäertum in ihm nachgab und sich in dieser neuen Heimatsfremde verlor. Er wurde gewissermaßen selbst etwas wie die künstlichen Perlen, die sie dort drüben erzeugen, indem sie kleine Fremdkörper in die noch lebende Muschel einpressen. Die Auster umspinnt dann das Störende mit ihrem glitzernden Schleim, bis der ursprüngliche Fremdkörper in der neu entstandenen Perle unsichtbar wird. So ging schließlich der Fremdkörper Lafcadio Hearn in seiner neuen Heimat unter, er wurde eingesponnen von der japanischen Kultur, und selbst sein Name ging verloren. Als Hearn eine Japanerin aus einem vornehmen Samuraigeschlechte zur Frau nahm, mußte er sich – um der Ehe gesetzliche Prägung zu geben – adoptieren lassen, und empfing damals den Namen Koizumi Yakumo, der auch heute seinen Grabstein schmückt. Seinen alten Namen warf er hinter sich, als wollte er die ganze Bitterkeit seiner früheren Jahre damit wegschleudern. In Amerika begannen sie jetzt auf ihn zu achten, aber der Ruhm lockte ihn nicht mehr zurück, war er doch Lärm. Und Lafcadio Hearn badete sein Herz in Stille, er liebte nur mehr dieses linde, leise Leben hier drüben, das ihm doppelt teuer war, seitdem das Schmetterlingsdasein einer zierlichen Frau und zweier Kinder es freundlich umwebte. Mehr und mehr nahm er die Gewohnheiten des Landes an. Er aß Reis mit kleinen Stäbchen, trug nur mehr japanische Tracht; das Heidentum, das als geheimnisvolle Erbschaft seiner griechischen Heimat immer schon in ihm unter dem äußerlichen Christentum geschlummert hatte, verwandelte sich hier in einen eigenartigen Buddhismus. Nicht wie die andern war er gekommen, wie die Freibeuter des Kommerzialismus, die, mit dem Stolz der weißen Rasse auf die »Japs« niedersehend, nur nehmen wollten, gewinnen und rauben; er wollte schenken, demütig sich selber hingeben, und darum wurden das Land und die Menschen ihm Freund. Er war der erste Europäer, den die Japaner ganz als den Ihren nahmen, dem sie vertrauten und ihr Geheimstes verrieten. »He is more of Nippon than ourselves«, sagten sie von ihm, und tatsächlich warnte niemand eindringlicher vor Europa als er. Er hatte das Schicksal schon erlebt, dem sie erst entgegengingen.


Und das Leben hatte dieses Werk lieb, es war zufrieden mit Lafcadio Hearn und gab ihm das letzte, das größte Geschenk: es ließ ihn sterben im richtigen Augenblick, so wie es ihn im richtigen Augenblick an sein Werk gewiesen hatte. Der Verkünder des alten Nippon starb in dem Jahre, da die Japaner Rußland besiegten, da sie jene Tat vollbrachten, die ihnen das Tor der Weltgeschichte aufsprengte. Nun stand das geheimnisvolle Land im vollen Blendlicht der Neugierde, nun bedurfte das Schicksal seiner nicht mehr. Weiser, vorberechneter Sinn scheint darin zu liegen, daß er den Sieg Japans über Rußland nicht mehr erlebte, jenen trügerischen Sieg, mit dem sich die alte Tradition selber das Messer durch den Leib riß. Lafcadio Hearn starb in derselben Stunde wie das alte Nippon, wie die japanische Kultur.


So teuer aber war er diesem seinem neuen Volke, daß sie mitten im Kriege, der ihnen täglich Tausende entriß, aufschraken bei seinem Tod. Sie fühlten, daß etwas von ihrer Seele mit ihm erlosch. Tausende schritten hinter seinem Sarg, der nach buddhistischen Riten in die Erde gesenkt wurde, und an seinem Grabe sprach einer das unvergeßliche Wort: »Wir hätten eher zwei oder drei Kriegsschiffe mehr vor Port Arthur verlieren können als diesen Mann.«


In vielen Häusern Japans, bei seinen Angehörigen, bei seinen Schülern steht heute noch sein Bild – das energische Profil mit dem blitzenden Auge unter buschigen Brauen – auf dem heiligen Schrein. Hearn hat selbst erzählt, wie man dort vor den Bildern der Abgeschiedenen die tote Seele mit sanftem Zauber von ihrer Wanderung beschwört. Flutend im Meido, dem All und dem Nichts, ist sie stets den Gläubigen im Anruf nahe und hört ihr freundliches Wort. Unser Glaube ist anders. Für uns ist diese helle Seele vergangen und nur in den Büchern, die Hearn uns hinterlassen hat, können wir sie wiederfinden.

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Joseph Roth

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Die hier vorzufindene Sammlung der gemeinfreien Werke Stefan Zweigs ist aus der Ausgabe des Null Papier Verlages übernommen. Zu dieser Ausgabe gelangen Sie durch einen Klick auf diesen Eintrag.