An Hugo von Hofmannsthal


VIII. Kochgasse 8


Wien, 24. Juni 1907


Sehr verehrter Herr von Hofmannsthal,


lassen Sie mich Ihnen auf das innigste für Ihre freundlichen Worte Dank sagen. Mir ist Keines Urteil in Deutschland wertvoller und wichtiger als das Ihre, und ich freue mich sehr der Gelegenheit, Ihnen das heute schreiben zu dürfen, ohne der Aufdringlichkeit verdächtig zu sein. Verzeihen Sie mir, wenn ich bislang die primitivste Pflicht der Höflichkeit versäumte, Ihnen meine Bücher zu senden, wozu mich meine von Jahr zu Jahr tiefer bewußte und begründete Verehrung drängte; Ihr gütiger Brief von heute wird mir in Hinkunft gestatten, was mir bislang das unbestimmte Gefühl einer Besorgnis verwehrte, Ihnen lästig oder unwillkommen zu erscheinen.


In aufrichtiger Verehrung Ihr ergebener
Stefan Zweig


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An Hugo von Hofmannsthal


VIII. Kochgasse 8


Wien, 16.11.1908


Sehr verehrter Herr von Hofmannsthal,


ich danke Ihnen innigst für Ihr schönes Geschenk, das mir doppelt wertvoll ist: als Gedicht und als gütiges Zeichen freundlicher Gesinnung. Einmal hatte ich schon die Feder angesetzt, Ihnen zu schreiben; mir fiel nämlich ein, daß Sie vielleicht Spoelbergh van Loevenjouls interessantes Buch »Histoire des œuvres de Balzac« nicht kennen, das ich mir eben aus Paris verschrieb und das den Ihnen vielleicht unbekannten Plan der ganzen Comédie humaine enthält, die Aufzählung der ungeschriebenen Romane (Moscou, La plaine de Wagram etc.). Sollten Sie es wünschen, so schicke ich’s Ihnen sofort, wie ich’s in Händen habe. Mein Aufsatz ist ja nicht so wichtig wie der Ihre, beschränkt sich übrigens ganz auf einen Versuch der Philosophie Balzac’s und ich plage mich eben um einen Titel, diese Einschränkung entschuldigend zu vermerken. Zu einem Vortrag, den ich nächste Woche über Balzac halte, will ich mir Ihre Gegenwart gar nicht erbitten: er wird nur in weitesten Linien die Fülle des Themas zu umgreifen suchen, um in Wien das Interesse für die neuen Ausgaben wachzurütteln. Haben Sie Ihren Essay schon abgeschlossen oder kennen Sie schon Spoelbergh’s Buch, dann fällt alles, was ich heute zu Ihnen sagen wollte, zusammen in das Wort: herzlichen Dank. Das und noch viele ergebene Empfehlungen in Verehrung getreu!


Stefan Zweig


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An Hugo von Hofmannsthal


VIII. Kochgasse 8


Wien, 9. Nov. 1909


Sehr verehrter Herr von Hofmannsthal,


ich danke Ihnen vielmals für die wertvolle Gabe des »Hesperus«. Ich freue mich seit einem Jahre schon diesem Buch entgegen: es von Ihnen erhalten zu haben, macht es mir noch werter. Darf ich Ihnen ein Wort dazu sagen? Ich finde es so wundervoll, daß Sie, dessen Kunst doch so ganz allein und für sich besteht, dennoch hier in Gemeinsamkeit für eine neue Form der deutschen künstlerischen Cultur wirken wollen. Ich glaube es innerlich zu verstehen – in Worte läßt sich dies nicht ganz zwingen – was die geheime Absicht dieses Buches ist, das den meisten nur als eine gelegentliche und zufällige Vereinung erscheinen wird. Und ich bin überzeugt, daß diese Absicht eine erzieherisch-wertvolle ist, an der wir Jüngeren alle werden zu lernen haben, daß ihr Sinn von Jahr zu Jahr deutlicher und zwingender sich offenbaren wird; und daß wir im nächsten Jahrzehnt ihn schon als fruchtbar in unserer Literatur fühlen werden.


Ich hätte Ihnen gerne meinen Dank persönlich gesagt. Aber ich reise zu Vorlesungen nach Deutschland und hoffe nach meiner Rückkehr, Sie in Rodaun aufsuchen zu dürfen. Eine Gegengabe – der Versuch, durch die Darstellung und ausführliche Übertragung Verhaerens, in Deutschland eine neue Möglichkeit der lyrischen Form aufzuzeigen – bereitet sich vor und hofft bei Ihnen auf Ihr, allem Wichtigen und Neuen so bereitwilliges Interesse.


In inniger Verehrung ergeben
Stefan Zweig


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An Hugo von Hofmannsthal


bibliotheca mundi Redaktion


Salzburg, den 17. März 1920


Kapuzinerberg 5


Sehr verehrter Herr Doktor, Ihr Brief war mir gleicherweise durch die persönliche Zusage zur Goethe-Auswahl wie durch das über das Persönliche hinausreichende sachliche Interesse eine ungemeine Freude. Ich sende Ihnen in der Beilage eine Abschrift des ersten Programmes, das im wesentlichen eingehalten werden soll, bitte Sie aber, bei dieser Auswahl nicht zu vergessen, daß wir zunächst den Bedürfnissen und der schon gewonnenen Neigung des Publicums entgegenkommen müssen, um ihr Vertrauen zu selteneren und weniger bekannten Werken allmählich emporzusteigern. Ich zum Beispiel halte selbst Diderot für wesenhafter als Musset, aber wir mußten vorerst das Leichtere einmengen, um breiteren Kreisen die salzhaltigere Kost, die wir für später planen, genießbar zu machen. Von Diderot ist vorgesehen »Le neveu de Rameau« avec les annotations de Goethe (nach einer alten vortrefflichen Übersetzung), für das Ausland also eine seit 70 Jahren nicht mehr gebotene Form. Auch die Anthologien, von denen hier nur die griechische, russische, hebräische angeführt sind, werden auch für die kleinen Nationen ausgebaut, zunächst kommt dann eine czechische, eine holländische, eine provençalische. Und besonders in der »Pandora«, der mehrsprachigen Inselbücherei, ist ja unendlich Raum: ich glaube wirklich, daß diese drei Sammlungen die von Goethe vor einem Jahrhundert geforderte Wendung zur Weltliteratur für Deutschland in ungeahntem Maße befördern werden. Vielleicht ist hier in 10 Jahren schon ein Centrum der europäischen Cultur, unvergleichbar allen andern frühen Versuchen wie z.B. jener Bibliothèque Européenne von Baudry in Paris (um 1820) die in den Anfängen steckenblieb. Kippenberg berichtet nur, daß die erste Ankündigung ein ungeheures Interesse hervorgerufen habe: möge nur jetzt nicht das politische Chaos hier eine künftige geistige Ordnung hemmen oder zerstören!


Ihr Vorschlag zu Novalis wird Professor Kippenberg gewiß ebenso freuen wie mich selbst: nur hätte ich ihn gerne ein wenig erweitert. Die deutsche Serie ist im wesentlichen auf das Ausland berechnet und will immer einen deutschen Dichter möglichst ganz darstellen. Und bei aller Bewunderung für die Fragmente scheint mir die eindringliche Natur eines Novalis nicht ganz erkennbar, wenn nicht auch die lyrische Umfassung der Welt zu den geistigen Betrachtungen tritt. Ich persönlich würde noch lieber eine Auswahl »Gedichte und Fragmente« von Ihnen sehen und empfinde diese Mengung nicht als eine künstliche, weil bei Novalis das Prosaische sich vom Poetischen kaum differenziert, sondern in einer nie wieder erreichten Bindung ineinanderfließt. Dem Auslande nur die Fragmente als opus characteristicum hinzustellen, dünkt mir ein wenig gefährlich: aber vereint mit einer Lese von Gedichten gäbe es ein herrliches Buch und gleichzeitig mit einem späteren Bande Ofterdingen der Welt den ganzen Novalis. Und gerade diese dichterisch-philosophischen Geister aller Zeiten und Völker will ja die Sammlung besonders bevorzugen, die in den Originaltexten Plato, Seuse, Ruysbrock, Swedenborg, Angelus Silesius, Giordano Bruno, bringen will, befreit von aller philologischen Commentierung, erlöst von der Übertragung, die gerade in der Sphäre des reinen Begriffes immer Verwässerung wird.


Die materiellen Vorschläge wird Ihnen Professor Kippenberg selbst machen, sobald ich ihn postalisch wieder zu erreichen vermag. Ich bin gewiß, daß er selbst in diesen chaotischen Tagen das Werk fördert: wir fassen es mit einer Leidenschaft an, die teils Vertrauen zur Sache, teils Zeitflucht ist und das Architektonische des Planes, das Ausbalancieren der Werte gibt mir eine ganz neue und sehr geistig ansprechende Form der Betätigung. Jede Anregung ist mir da kostbar und ich freue mich schon heute, daß Sie, wenn der Bau begonnen ist, ihm den Meisterspruch mit auf den Weg geben wollen.


In aufrichtiger Verehrung Ihr ergebener


Stefan Zweig


Im Verzeichnis wird Ihnen manches Neuere von Bedeutung fehlen: Flaubert, Maupassant, Victor Hugo, Oscar Wilde, Whitman – hier müssen wir wegen der Autorrechte zurückhaltend sein, die in gegenwärtiger Währungsnot nicht zu bezahlen sind; doch sind Erwerbungen für die nächsten Serien gewiß, sobald wir durch Verkauf Gegenwerte uns im Ausland schaffen.


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Die hier vorzufindene Sammlung der gemeinfreien Werke Stefan Zweigs ist aus der Ausgabe des Null Papier Verlages übernommen. Zu dieser Ausgabe gelangen Sie durch einen Klick auf diesen Eintrag.