An Richard Beer-Hofmann


The Wyndham Hotel, New York


11. Juli 1940


Mein lieber verehrter Richard Beer-Hofmann, wie haben wir um Sie gebangt, und wie glücklich war ich, Sie hier geborgen zu wissen, freilich, ich weiß es, in jeder Stunde der Gütigen gedenkend, die sonst Sie überallhin mit ihrer Sorge begleitet. Aber selig die Toten in dieser Zeit – ich bin so tief erschüttert, weil ich mehr Europäer als Österreicher war und der Sieg, der zeitweilige, der Gewalt mich für immer heimatlos macht. Ich bin mit meiner kleinen Klugheit so wie von Österreich rechtzeitig von England fort, alles hinter mir lassend, was Besitz war, und sogar das halbfertige Manuscript eines Buches, an dem ich seit Jahren arbeite, und irre jetzt mit einem Transitvisum, hier eingelassen und fortgetrieben, nach Südamerica zu Vorlesereisen, die ich nicht mag. Werde ich je zurückkehren können? Werde ich es dürfen, werde ich es wollen? Aber ich frage schon nicht mehr, ich lasse mich treiben, nur von einem Gedanken beseelt, nicht diesem braunen Burschen in die Hände zu fallen – dies die einzige Furcht, die ich im Leben noch habe, die andern sind verlernt. Ich hatte mich schon ganz zurückgezogen, auf Umgang verzichtend und nur jenes [Umgangs] mit Büchern und meinem Garten froh, nun heißt es weiter ahasverisch wandern, und als einzige Arbeit erzähle ich mir (und später andern) mein Leben, das eines Europäers und Juden in dieser Zeit. Ich hoffe, wenn man mir es erlaubt, auf der Rückreise in America wieder etwas zu bleiben, Sie im Spätherbst zu sehen in alter Liebe, Treue und Verbundenheit!


Ihr Stefan Zweig


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Die hier vorzufindene Sammlung der gemeinfreien Werke Stefan Zweigs ist aus der Ausgabe des Null Papier Verlages übernommen. Zu dieser Ausgabe gelangen Sie durch einen Klick auf diesen Eintrag.