Kapitel 28


Wohin jetzt? Nur nicht nach Hause! Nur nicht hinauf in das leere Zimmer, nicht allein sein mit diesen gräßlichen Gedanken! Am besten noch etwas trinken, etwas Kaltes, etwas Scharfes, denn schon wieder spüre ich diesen widerlichen Geschmack von Galle im Gaumen. Vielleicht sind es die Gedanken, die ich erbrechen möchte – nur wegschwemmen, wegbrennen, nur abdumpfen, nur abstumpfen das alles! Ah, grauenhaft, dieses gräßliche Gefühl! Hinein in die Stadt! Und wunderbar – das Café am Rathausplatz ist noch offen. Hinter den verhangenen Scheiben glänzt Licht durch die Ritzen. Ah – etwas trinken jetzt, etwas trinken!


Ich trete ein und sehe gleich von der Tür aus, am Stammtisch hocken sie noch alle beisammen, der Ferencz, der Jozsi, der Graf Steinhübel, der Regimentsarzt, die ganze Bande. Aber warum starrt der Jozsi so verblüfft auf, warum versetzt er dem Nachbarn einen heimlichen Puff, und warum glotzen alle derart penetrant auf mich? Warum stockt mit einem Mal das Gespräch? Eben haben sie doch noch heftig diskutiert und derart durcheinandergeschrien, daß ich den Krawall gehört habe bis an die Tür; jetzt, kaum daß sie mich bemerkt haben, hocken sie alle stumm und irgendwie verlegen. Da muß etwas los sein.


Nun, umkehren kann ich nicht mehr, da sie mich schon gesehen haben. So schlendre ich möglichst unbefangen heran. Wohl ist mir nicht dabei, ich habe nicht die mindeste Lust auf Lustigkeit oder Schwätzerei. Und dann – ich spür irgendeine Spannung in der Luft. Sonst winkt doch einer mit der Hand oder schmeißt einem sein »Servus« wie einen blechernen Ball durch das halbe Lokal entgegen; heut sitzen sie alle stur wie ertappte Schuljungen. In meiner blödsinnigen Befangenheit sage ich, während ich einen Sessel heranrücke:


»Ihr erlaubt’s doch?«


Der Jozsi sieht mich merkwürdig an. »No, was sagt’s ihr?« nickt er zu den andern hinüber, »ob wir erlauben? Habt’s schon einmal solche Zeremonien erlebt? Ja, ja, der Hofmiller hat’s halt heut schon einmal mit die Zeremonien!«


Das muß irgendein Witz gewesen sein von dem boshaften Kerl, denn die andern schmunzeln oder verstecken ein dreckiges Lachen. Ja, irgend etwas ist los. Sonst, wenn einer von uns nach Mitternacht anrückt, fragen sie umständlich nach dem Woher und Warum und spicken ihren Spaß mit kräftigen Vermutungen. Heut wendet sich keiner mir zu, alle tun sie irgendwie geniert. Ich muß in ihre behäbige Sumpferei hereingeschlagen haben wie ein Stein ins Wasser. Endlich lehnt sich der Jozsi zurück, kneift das linke Lid halb zu wie bei einem Scharfschuß, dann fragt er:


»Nun – darf man schon gratulieren?«


»Gratulieren – wozu?« Ich bin so verblüfft, daß ich wirklich im ersten Augenblick nicht weiß, was er meint.


»No, der Apotheker – grad ist er weg’gangen – der hat was derzählt, der Diener hätt ihm von draußen telephoniert, du hättst dich mit dem … mit dem … na – sagen wir: mit der jungen Dame da draußen verlobt.«


Alle sehen mich jetzt an. Zwei, vier, sechs, acht, zehn, zwölf Augen starren auf meinen Mund; ich weiß, wenn ich’s zugebe, bricht im nächsten Moment das große Hallo los, Witze, Hohn, Spott und ironisches Gratulieren. Nein, ich kann’s nicht zugeben. Unmöglich, vor diesen Übermütigen, vor diesen Spöttern!


»Unsinn«, knurre ich, um mir herauszuhelfen. Aber diese ausweichende Abwehr ist ihnen nicht genug; der gute Ferencz, ehrlich neugierig, schlägt mir auf die Schulter.


»Sag, Toni, ich hab doch recht – es ist net wahr?«


Er hat es gut gemeint, der brave, treue Bursch, aber er hätte mir das »Nein« nicht so leicht machen sollen. Ein grenzenloser Ekel ergreift mich vor dieser burschikosen, spottlustigen Neugier. Ich spüre, wie absurd es wäre, hier am Kaffeehaustisch erklären zu wollen, was ich mir im innersten Herzen selbst nicht klarmachen kann. Ohne recht zu bedenken, wehre ich ärgerlich ab:


»Keine Spur.«


Einen Augenblick herrscht Schweigen. Sie blicken einander überrascht und, ich glaube, ein bißchen enttäuscht an. Offenbar habe ich ihnen einen Spaß verdorben. Aber ganz stolz stemmt Ferencz die Ellbogen auf den Tisch und brüllt triumphierend:


»Na! Hab ich’s nicht gleich g’sagt? Ich kenn den Hofmiller wie meine Hosentaschen! Gleich hab ich’s g’sagt, eine Lüg ist’s, eine dreckige Lüg von dem Apotheker. Na, dem werd ich morgen was pfeifen, dem blöden Salbenreiber, der soll andere anschmieren als unsereins! Den stell ich mir gleich, und ein paar saftige Ohrfeigen kann er dazu kriegen. Was erlaubt sich der? Mir nix dir nix einen anständigen Menschen in Verschiß bringen! Mit seinem losen Maul so eine Lumperei von unsereinem herumzuschwätzen! Aber seht’s – ich hab’s gleich g’sagt – so was tut der Hofmiller nicht! Der verkauft seine graden Beiner nicht und für keinen Schippel Geld!«


Er wendet sich mir zu und patscht mir gut und treu mit seiner schweren Hand auf die Schulter.


»Wirklich, Toni, ich bin saufroh, daß das net wahr is’. Wär ja eine Schand g’wesen für dich und für uns alle, eine Schand für’s ganze Regiment.«


»Und was für eine«, setzt jetzt Graf Steinhübel ein. »Grad die Tochter von dem alten Wucherer, der seinerzeit dem Uli Neuendorff den Kragen gebrochen hat mit seine Wechselg’schichten. Skandal genug, daß solche Leut sich ansacken dürfen und Schlösser kaufen und den Adel dazu. Das möcht ihnen noch passen, sich für’s gnädige Fräulein Tochter einen von uns aufzuzwicken! So ein Schubiak! Der weiß, warum er mir ausbiegt, wenn er mich auf der Straße trifft.«


Mit dem wachsenden Tumult erregt Ferencz sich immer mehr. »Dieser Lumpenhund von einem Apotheker – meiner Seel, ich hätt Lust, ihn mit der Nachtglocken aus seiner Buden zu läuten und ihm ein paar Ausgiebige um die Ohren zu knallen. So eine Unverschämtheit! Nur weil du ein paar Mal hinausgegangen bist, dir so eine dreckige Lüg anzuhängen!«


Jetzt mengt sich noch Baron Schönthaler ein, der magere aristokratische Windhund.


»Weißt, Hofmiller, ich hab dir ja nix dreinreden wollen – chacun à son goût! Aber wenn d’ mich ehrlich fragst, mir hat’s von Anfang an net g’fallen, wie ich g’hört hab, daß d’ allerweil bei die draußen steckst. Unsereins muß sich überlegen, wem man die Ehr antut, daß man bei ihm verkehrt. Was der für G’schäfte macht oder g’macht hat, davon weiß ich nix, und das geht mich nix an. Ich rechne niemandem was nach. Aber ein bissel muß unsereins Reserve halten – du siehst ja, auf ja und nein kommt ein blödes G’red zustand. Nur net rühren an Leut, die man net g’nau kennt. Unsereins muß auf sauber halten und immer auf sauber; schon beim bloßen Anstreifen kann man sich dreckig machen. Na, sein mir froh, daß dich net dicker eing’lassen hast.«


Aufgeregt schwätzen sie alle durcheinander, sie ziehen los auf den alten Mann, sie kramen die wüstesten Geschichten aus, sie spotten über das »Krüppelg’spiel«, seine Tochter; immer wieder wendet sich dazwischen einer herüber, um mich zu rühmen, daß ich mich mit der »Bagage« nicht wirklich eingelassen habe. Und ich – ich sitze starr und stumm; ihr widriges Lob martert mich, ich möchte sie am liebsten anbrüllen: »Haltet’s euer niederträchtiges Maul!« oder aufschreien: »Ich bin der Schuft! Nicht ich, sondern der Apotheker hat die Wahrheit gesagt! Nicht er hat gelogen, sondern ich. Ich, ich bin der feige, erbärmliche Lügner!« Aber ich weiß, es ist zu spät – zu spät für alles! Jetzt kann ich nichts mehr abschwächen, nichts mehr ableugnen. So sitze ich und starre nur stumm vor mich hin, die kalte Zigarette zwischen den verbissenen Zähnen, und bin zugleich grauenhaft bewußt des schurkischen, des mörderischen Verrats, den ich durch dieses Schweigen an der Armen, der Unschuldigen begehe. Ah – sich verkriechen unter die Erde! Sich vernichten! Sich zerstören! Ich weiß nicht, wohin mit den Blicken, ich weiß nicht, wohin mit den Händen, die mich durch ihr Zittern verraten könnten. Vorsichtig nehme ich sie an mich und drücke die Finger schmerzhaft ineinander, um durch dieses krampfige Zusammenpressen die innere Spannung noch ein paar Minuten lang zu bemeistern.


Doch im Augenblick, wo meine Finger sich ineinander verkrampfen, spüre ich etwas Hartes, etwas Fremdes zwischen ihnen. Unwillkürlich taste ich hin. Es ist der Ring, den Edith mir vor einer Stunde errötend an den Finger geschoben! Der Verlobungsring, den ich zustimmend empfangen! Ich habe nicht mehr genug Kraft, um mir den blitzenden Beweis meiner Lüge vom Finger zu reißen. So drehe ich nur mit der feigen Geste eines Diebs den Stein rasch nach innen, ehe ich den Kameraden die Hand zum Abschied reiche.


Der Rathausplatz lag geisterhaft klar im gletscherweißen Mondlicht, jede Kante des Pflasters scharf ausgeschnitten, jede Linie rein nachgezogen bis zu Dach und First. Genau so eisklar war es in mir. Nie hatte ich heller und gleichsam schattenloser gedacht als in jenem Augenblick: ich wußte, was ich getan hatte, und wußte, was jetzt zu tun meine Pflicht war. Ich hatte mich um zehn Uhr abends verlobt und drei Stunden später diese Verlobung feig abgeleugnet. Vor sieben Zeugen, vor einem Rittmeister, zwei Oberleutnants, einem Regimentsarzt, zwei Leutnants und Fähnrichen meines Regiments hatte ich, den Verlobungsring am Finger, mich noch rühmen lassen für meine schuftige Lüge. Ich hatte ein leidenschaftlich mich liebendes Mädchen, ein leidendes, machtloses, ahnungsloses Wesen hinterrücks kompromittiert, ich hatte ohne Einspruch ihren Vater beschimpfen und einen fremden Menschen, der die Wahrheit gesagt, meineidig einen Schwindler nennen lassen. Morgen schon mußte das Regiment meine Schande kennen, dann war alles zu Ende. Dieselben, die mir heute brüderlich auf die Schulter geklopft, würden mir morgen Hand und Gruß verweigern. Als entlarvter Lügner konnte ich das Portepee1 nicht länger tragen, aber auch zu den andern, zu den Verratenen, den Verleumdeten konnte ich nicht mehr zurück; selbst für Balinkay war ich erledigt. Diese drei Minuten Feigheit hatten mein Leben vernichtet: es gab für mich keine andere Wahl als den Revolver.


Bereits an jenem Tisch war ich mir genau bewußt gewesen, daß ich nur auf diese eine Weise meine Ehre retten konnte; was ich jetzt überlegte – allein durch die Straßen wandernd – war nur mehr die äußere Form der Ausführung. Völlig klar ordneten sich die Gedanken in meinem Kopf, als hätte das weiße Mondlicht die Kappe durchdrungen, und genau so gleichgültig, als gelte es, einen Karabiner zu zerlegen, teilte ich mir die nächsten zwei, drei Stunden ein, die letzten meines Lebens. Sauber alles erledigen, nichts vergessen, nichts übersehen! Zuerst einen Brief an die Eltern: mich entschuldigen, daß ich ihnen diesen Schmerz bereiten müßte. Dann Ferencz schriftlich bitten, er möge den Apotheker nicht stellen, die Angelegenheit sei durch meinen Tod abgetan. Einen dritten Brief an den Obersten: ihn ersuchen, alles Aufsehen möglichst zu unterdrücken, Begräbnis lieber in Wien, keine Delegation, keine Kränze. Allenfalls ein paar Worte noch an Kekesfalva, kurz und knapp, er solle Edith meiner herzlichsten Neigung versichern, und sie möge nicht schlecht von mir denken. Dann zu Hause tadellose Ordnung machen, die kleinen Schulden auf einem Zettel zusammenstellen, Auftrag erteilen, mein Pferd zu verkaufen, um allfällige Rückstände zu decken. Zu vererben habe ich nichts. Die Uhr und das bißchen Wäsche sollen meinem Burschen gehören – ach ja, und den Ring und die goldene Zigarettendose möge man Herrn von Kekesfalva retournieren.


Was noch? Richtig: die beiden Briefe von Edith verbrennen, überhaupt alle Briefe und Photographien! Nichts von sich zurücklassen, keine Erinnerung, keine Spur. Möglichst unauffällig verschwinden, wie man unauffällig gelebt hat. Immerhin, das gibt reichlich Arbeit für zwei, drei Stunden, denn jeder Brief soll sauber geschrieben sein, damit mir niemand Angst oder Verwirrtheit nachsagen kann. Dann das Letzte, das Leichteste: sich ins Bett legen, zwei, drei Decken dicht über den Kopf ziehen und darüber noch das schwere Federbett, damit man nebenan oder auf der Straße nichts von der Detonation des Schusses vernimmt – so hat’s seinerzeit der Rittmeister Felber gemacht. Um Mitternacht hat er sich erschossen, niemand hat auch nur einen Ton gehört; erst morgens haben sie ihn gefunden mit zerschmettertem Schädel. Unter den Decken dann den Lauf ganz nah an die Schläfe pressen, mein Revolver ist verläßlich, vorgestern habe ich zufällig den Verschluß noch frisch geölt. Und ich weiß, ich habe eine sichere Hand.


Nie in meinem Leben habe ich – ich muß es wiederholen – irgend etwas klarer, präziser, exakter disponiert als damals meinen Tod. Übersichtlich wie in einer Registratur war alles zurechtgelegt, Minute für Minute eingeteilt, als ich nach einer Stunde scheinbar ziellosen Herumirrens vor der Kaserne anlangte. Mein Schritt war die ganze Zeit über vollkommen ruhig, mein Puls ebenmäßig gegangen, und wie sicher meine Hand geblieben, merkte ich mit einem gewissen Stolz, als ich nun den Schlüssel ins Schloß der kleinen Seitentür steckte, die wir Offiziere nach Mitternacht immer benützten. Nicht um einen Zoll verfehlte ich selbst im Dunkel die schmale Öffnung. Jetzt noch den Hof überqueren und die drei Treppen hinauf! Dann bin ich mit mir allein und kann anfangen und enden zugleich. Doch da ich mich vom mondhellen Geviert des Hofs dem Torschatten der Treppe nähere, regt sich dort eine Gestalt. Verdammt, denke ich mir: irgendein heimkehrender Kamerad, der, knapp vor mir gekommen, mich noch begrüßen und am Ende lang herumschwatzen will! Im nächsten Augenblick aber erkenne ich, peinlichst berührt, an den breiten Schultern den Oberst Bubencic, der mich erst vor wenigen Tagen angepfiffen hat. Mit Absicht scheint er im Torbogen stehengeblieben zu sein; ich weiß, dieser Kommißknopf sieht’s nicht gern, wenn unsere Leute spät nach Hause kommen. Aber zum Teufel, was geht das alles mich noch an! Morgen stehe ich vor jemand ganz anderm beim Rapport. So will ich mit einer verbissenen Entschlossenheit, als ob ich ihn nicht bemerkte, weiter, doch schon tritt er aus dem Schatten heraus. Scharf stößt seine knarrige Stimme auf mich zu:


»Leutnant Hofmiller!«


Ich trete heran und stehe stramm. Er mustert mich scharf.


»Neueste Mode der jungen Herren, den Mantel halboffen zu tragen. Glaubt’s, ihr könnt’s nach Mitternacht herumlaufen wie eine Sau, die ihre Zitzen hängen läßt? Nächstens werdet’s ihr noch daherschlampen mit offenen Hosen. Das verbitt ich mir! Auch nach Mitternacht haben meine Offiziere anständig adjustiert zu sein. Verstanden?«


Ich klappe gehorsamst die Hacken zusammen. »Zu Befehl, Herr Oberst.«


Mit einem verächtlichen Blick dreht er sich weg und stapft ohne Gruß der Treppe zu, breit wuchtet sein feister Rücken im Mond. Aber da faßt mich Zorn, daß das letzte Wort, das ich im Leben hörte, eine Beschimpfung gewesen sein soll; zu meiner eigenen Überraschung geschieht etwas, völlig unbewußt, gleichsam nur aus meinem Körper heraus – ich mache ein paar hastige Schritte und eile ihm nach. Ich weiß, daß, was ich tat, eigentlich völlig widersinnig war; wozu eine Stunde vor der allerletzten irgend einem Hartschädel noch etwas erklären oder berichtigen wollen? Aber diese absurde Inkonsequenz haftet ja allen Selbstmördern an, daß sie noch zehn Minuten, ehe sie entstellte Kadaver sein werden, der Eitelkeit nachgeben, unbedingt sauber aus dem Leben zu gehen (aus dem Leben, das sie allein nicht mehr mitleben werden), daß sie sich rasieren (für wen?) und reine Wäsche anziehen (für wen?), ehe sie sich eine Kugel durch den Kopf schießen, ja, ich erinnere mich, sogar von einer Frau gehört zu haben, die sich schminkte und bei der Friseurin die Haare ondulieren und mit dem teuersten Coty parfümieren ließ, ehe sie sich hinabwarf vom vierten Stock. Nur dieses logisch völlig unerklärbare Gefühl riß mir die Muskeln auf, und wenn ich dem Obersten jetzt nacheilte, so geschah dies keineswegs – ich muß es betonen – aus Todesangst, oder plötzlicher Feigheit, sondern einzig aus dem absurden Reinlichkeitsinstinkt, nicht unordentlich, nicht beschmutzt ins Nichts zu verschwinden.


Der Oberst mußte meine Schritte gehört haben. Denn brüsk wandte er sich um, verdutzt starrten die kleinen stechenden Augen unter den buschigen Brauen mich an. Offenbar konnte er die ungeheuerliche Ungehörigkeit gar nicht fassen, daß ein Subalternoffizier ihm ohne Erlaubnis nachzugehen wagte. Ich blieb zwei Schritte vor ihm stehen, fuhr mit der Hand an die Kappe und sagte, dem gefährlichen Blick ruhig standhaltend – meine Stimme muß bleich gewesen sein wie das Mondlicht:


»Bitte gehorsamst, dürfte ich den Herrn Obersten einige Minuten sprechen?«


Die buschigen Brauen spannen sich zum erstaunten Bogen. »Was? Jetzt? Um halber zwei in der Nacht?«


Unwirsch sieht er mich an. Im nächsten Moment wird er mich grob anfahren oder verknallen zum Rapport. Aber etwas muß gewesen sein in meinem Gesicht, das ihn beunruhigte. Eine Minute, zwei Minuten mustern mich die harten stechenden Augen, dann knurrt er:


»Schöne Sachen wer’n das sein! Aber wie du willst. Na – komm herauf zu mir und mach schnell!«




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